Klonen von Tieren
- Project team:
Christoph Revermann (Projektleitung), Leonhard Hennen
- Thematic area:
- Topic initiative:
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
- Analytical approach:
TA-Projekt
- Startdate:
1998
- Enddate:
2000
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Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung
Ein Klon ist ein Individuum, das mit einem anderen genetisch identisch ist. Klonen ist eine in der Natur weit verbreitete Form der ungeschlechtlichen Vermehrung von Lebewesen. Bei Einzellern und Pflanzen ist sie ein ganz normaler Vorgang (Zweiteilung, vegetative Vermehrung); bei höheren Wirbeltieren können genetisch identische Individuen auf natürliche Weise dadurch entstehen, dass sich Embryonen in frühen Teilungsstadien spontan aufspalten und sich die Teile getrennt in unabhängige Individuen weiterentwickeln (Zwillinge bzw. Mehrlinge). Zur künstlichen Erzeugung von Klonen höherer Organismen stehen im Prinzip zwei Verfahren zur Verfügung, die Embryoteilung (Embryosplitting) und das Klonen durch Zellkerntransplantation in Ei- oder Embryozellen, denen ihr eigenes genetisches Material entfernt wurde (Kerntransfer). Klonierungsverfahren (Klontechniken) zählen zum Bereich der Biotechnologie, und zwar zu den (biotechnischen) Verfahren, die die Erbsubstanz innerhalb der Zellkerne nicht verändern. Klontechniken werden in der Regel jedoch nicht isoliert, sondern im Verbund mit anderen (die Erbsubstanz verändernden, transgenen) Bio- und Gentechniken angewendet. Dabei sind manche Biotechniken unabdingbarer Bestandteil eines Klonverfahrens, andere optional.
Zielsetzung des Projekts war es zu untersuchen,
- welche Einflüsse vom Einsatz des kerntransferbasierten Klonens auf die biologische Grundlagenforschung ausgehen können,
- welche Beiträge für die verschiedenen anwendungsorientierten Bereiche in der Medizin zu erwarten sind,
- welche Auswirkungen für Tierzucht und Landwirtschaft erkennbar sind,
- und schließlich, welche Problemfelder zu identifizieren sind und welche Schlussfolgerungen abgeleitet werden können.
Es zeigte sich schon während der Konzepterstellung, dass eine perspektivische Beschränkung auf rein technische, medizinische und ökonomische Aspekte der Anwendung des Klonens bei Tieren unbefriedigend gewesen wäre. Das Klonen bedarf auch unter rechtlichen und ethischen Aspekten der Beachtung. Das Projekt widmete sich daher der Frage, ob bzw. welchen Regelungen das Klonen von Tieren in Deutschland nach gegenwärtigem Recht unterliegt und ob das Klonen gegebenenfalls gesetzlichen Beschränkungen oder gar Verboten unterworfen werden darf. In Anbetracht der Möglichkeiten, die eine Weiterentwicklung der Klonierungstechniken im Hinblick auf mögliche Anwendungsfelder beim Menschen birgt (Arzneimittel, Transplantation, Gewebezüchtung etc.), erschien zudem eine Reflexion des Handelns von Medizinern, Biotechnologen und Tierzüchtern im Spannungsfeld von wissenschaftlich-technischem Fortschritt und ethischen Anforderungen notwendig. An die Ethik wurde die Frage gerichtet, ob die herkömmlichen ethischen Prinzipien sowie die klassischen Argumentationen und einschlägigen Muster ethischer Urteilsbildungen für die moralische Bewertung des Klonens ausreichen.
Ergebnisse
Biomedizinische Forschung und Anwendung
Klone höherer Organismen sind von großem Interesse für die biomedizinische Grundlagenforschung sowie die anwendungsorientierte medizinische Forschung. Derzeit werden im Wesentlichen vier mögliche Anwendungsfelder des kerntransferbasierten Klonens für medizinische Zwecke diskutiert. Ein erster Bereich ist das sog. Gene Pharming, also die Verwendung transgener Tiere zur Erzeugung therapeutisch nutzbarer (humaner) Proteine, z.B. in der Milch. Hier liegt auf absehbare Zeit eines der möglichen Hauptanwendungsgebiete des kerntransferbasierten Klonens, da es die Erzeugung der entsprechenden transgenen Tiere im Vergleich zu den herkömmlichen Verfahren effektiver und zielgerichteter macht. Vorteile dieser durch biogenetische Herstellungsverfahren gewonnenen Wirkstoffe, wie Insulin oder Blutfaktoren oder andere menschliche körpereigene Substanzen, bestehen darin, dass diese Wirkstoffe viel reiner gewonnen werden können als bei der herkömmlichen Methode über Zwischenprodukte von Tieren und Menschen. Bei Verfügbarkeit solcher Tiere kann die Wirkstoffproduktion in großen Mengen und verhältnismäßig preiswert erfolgen. Allerdings entstehen für die Tiere auch Risiken, die durch die genetische (transgene) Manipulation, durch die biologische Aktivität des produzierten Proteins und durch das Klonverfahren selbst bedingt sind. Gefährdungen für Menschen können durch Veränderungen der Produkte sowie durch mögliche Krankheits(erreger)-Übertragung entstehen, müssen also durch sorgfältige Arzneimittelprüfungen so weit wie möglich ausgeschlossen werden.
Ein weiterer Bereich, in dem das Klonen möglicherweise eingesetzt werden könnte, ist die Herstellung von transgenen Tieren als Tiermodelle für menschliche Krankheiten. Ein großes Hindernis bei der Weiterentwicklung von Tiermodellen zeigte sich darin, dass es bislang nur bei der Maus gelang, genetisch manipulierte Zellen so stabil in die Keimbahn eines Empfängertieres zu integrieren, dass die genetischen Veränderungen vererbt werden können. Die physiologischen und anatomischen Unterschiede zwischen Maus und Mensch sind jedoch so groß, dass die Symptome der bei der Maus eingeführten genetischen Veränderung oft nicht dem beim Menschen beobachteten Krankheitsbild entsprechen. Das Klonen mit Hilfe des Kerntransfers unter Verwendung somatischer Zellen eröffnet die Möglichkeit, bei verschiedenen Spezies gezielte genetische Veränderungen zu induzieren (Gene Targeting und Gene Knockout). Auch ließen sich auf diesem Wege erstmalig Krankheitsmodelle in transgenen Großtieren schaffen, die je nach zu untersuchender Krankheit im Hinblick auf anatomische, physiologische oder genetische Charakteristika bisherigen Mausmodellen überlegen sein könnten. Es wird allgemein erwartet, dass dies mittelfristig dazu beitragen wird, die Krankheitsbilder genetisch bedingter humaner Erkrankungen besser zu verstehen und darauf aufbauend wirksame Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Das Klonen könnte des Weiteren bei der Transplantation von körpereigenem (autologem) Gewebe einen technischen Beitrag leisten sowie bei der sog. Zelltherapie. Das optimale Transplantationsgewebe ist einfach zu kennzeichnen: Seine Zellen sollten mit denen des Empfängers genetisch möglichst identisch sein. Das Immunsystem des Patienten erkennt es dann nicht mehr als fremd, und jedes Problem der Abstoßung entfiele. Deshalb wäre eine optimale Lösung die Schaffung genetisch identischen Ersatzgewebes. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass dies nun mittels des kerntransferbasierten Klonens erreichbar werden könnte. Zur Züchtung von humanem Ersatzgewebe ist prinzipiell ein weiterer Weg denkbar: Mit Hilfe der Kerntransfermethode würde ein früher Embryo erzeugt, aus diesem könnten in Kultur pluripotenze embryonale Stammzellen gewonnen werden. Die Gewinnung solcher Zellen ist beim Menschen allerdings auch aus in vitro gezeugten Embryonen noch nicht gelungen. Außerdem würde ein solches Verfahren die ethisch und rechtlich höchst problematische Erzeugung und Verwertung eines menschlichen Embryos erfordern, es sei denn, es könnten Eizellen von Tieren als Empfänger der Zellkerne verwendet werden. Doch diese Entwicklung steht noch am Anfang und beinhaltet eigene Probleme, insbesondere ebenfalls schwerwiegende ethische Probleme.
Ein vierter Bereich, in dem der Einsatz (transgener) geklonter Tiere denkbar ist, ist die Xenotransplantation (Transplantation tierischer Organe in den Menschen). Um jedoch »Spendertiere« zu konstruieren, müssten z.B. beim Schwein bis zu etwa einem Dutzend Gene verändert werden. Mit den herkömmlichen Methoden der genetischen Veränderung ist dies praktisch nicht machbar. Durch das Klonen könnte nun die Möglichkeit gegeben sein, zunächst Zellen in Kultur mit den gewünschten genetischen Veränderungen zu versehen, bevor aus ihnen mit Hilfe des kerntransferbasierten Klonens ein vielfach genetisch verändertes Tier erzeugt werden könnte. Aber auch wenn das "ideale" Spendertier auf diesem Wege geschaffen werden könnte, würden die grundsätzlichen Probleme der Abstoßung vermutlich bestehen bleiben. Auch ist unsicher, ob das tierische Fremdorgan seine Funktion im menschlichen Empfänger tatsächlich erfüllt. Bestehen bleibt auch das Problem einer Anpassung tierischer Viren an den Menschen mit der möglichen Folge von Epidemien.
Nutztierzucht und Landwirtschaft
Das Klonen selbst ist kein Züchtungsverfahren, sondern eine Technik, die die genetisch identische Vermehrung von Individuen ermöglicht. Klonen allein bewirkt also keinen züchterischen bzw. genetischen Fortschritt bei den resultierenden Klonen im Verhältnis zum Ausgangsindividuum. Maßgebend für die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Klonens im tierzüchterischen Einsatz in der Landwirtschaft sind die Effektivität der Klonierungstechnik und der (züchterische) Wert des für die Klonierung verfügbaren genetischen Materials. Sollte sich die Methode des Klonens von erwachsenen Tieren zu einem Routineverfahren weiterentwickeln lassen, ergäben sich daraus auch Auswirkungen für die Tierproduktion, deren Ausmaß im Wesentlichen von den Kosten der Klonierung bestimmt wird. Solange das Verfahren noch sehr teuer ist, werden wohl nur einzelne Spitzentiere geklont werden, z.B. könnte bei einem Ausfall (durch Alter oder Krankheit) eines züchterisch sehr wertvollen Tieres das Tier durch einen Klon von sich selbst ersetzt werden.
Mit dem erwarteten Zuwachs genetischen Wissens auch im Nutztierbereich und den damit verbundenen Möglichkeiten zur Erstellung transgener Tiere können in Kombination mit dem kerntransferbasierten Klonen neue Strategien in Tierzucht und Tierproduktion eingesetzt werden. Erwartet wird, dass mit Hilfe dieser Technologien auch transgene Tiere mit veränderten (landwirtschaftlichen) Eigenschaften effizienter als bisher möglich »hergestellt« werden können. Die wichtigsten Ziele des Gentransfers in der Nutztierzucht in Verbindung mit der Klonierung sind: Qualitätssteigerung, Gene Pharming, Steigerung der Krankheitsresistenz und Kostenreduktion. Leistungssteigerung mittels Gentransfer steht bei landwirtschaftlichen Nutztieren mittlerweile nicht mehr so im Vordergrund, da z.B. für Fleisch- und Milchleistung komplexe, multigene Merkmale verantwortlich sind, die nur schwer zu verändern sind und sich zudem mit konventioneller Züchtung ausreichend bearbeiten lassen. Teilweise wird mit Gentransfer versucht, die Futterverwertung zu verbessern bzw. die Fettbildung insbesondere beim Schwein zu reduzieren. Dies ist z.B. ein Aspekt der hauptsächlich gewünschten Qualitätsverbesserung tierischer Produkte, wie auch die angestrebte geänderte Milchzusammensetzung: gearbeitet wird an der Erhöhung des Proteingehaltes, insbesondere des Kaseins, und der Reduzierung oder völligen Entfernung von Milchzucker (Lactose). Solche Milch wäre auch für Menschen verträglich, die eine Lactose-Intoleranz besitzen. Eine Weiterführung dieses Ansatzes führt zum schon beschriebenen Gene Pharming. Auf Grund hoher krankheitsbedingter Kosten in der Massentierhaltung kommt der genetischen Modifikation der Krankheitsresistenz von Tieren in der Tierzucht eine große Bedeutung zu. Durch Übertragung spezifischer Krankheitsresistenzgene oder das Ausschalten von Genorten, die spezifische Krankheiten determinieren, könnte die Tiergesundheit und damit die Qualität tierischer Produkte (theoretisch) verbessert werden.
In der landwirtschaftlichen Zuchtpraxis könnte die Einführung der (praxistauglichen) Klonierung (insbesondere in der Rinderzucht) möglicherweise zu einer Umstrukturierung der Züchtungsorganisationen führen. Sowohl aus Kostengründen als auch wegen der personellen Qualifikationsanforderungen würden voraussichtlich spezialisierte, kapitalintensive, erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Zuchtunternehmen entstehen. Es ist fraglich, ob die bestehenden Züchtervereinigungen in der Lage sein werden, die biotechnischen Arbeiten in effizienter Weise durchzuführen. Ferner wären in der Folge eines umfassenden Einsatzes des Klonens Veränderungen auf der Ebene der Produktionsstufe mit unterschiedlichen Auswirkungen in Abhängigkeit von den Betriebsformen und Betriebsgrößen zu erwarten. Diese könnten den Strukturwandel innerhalb dieses Sektors verstärken und insgesamt zu einer Verringerung von Betrieben und Arbeitsplätzen im Agrarbereich führen.
Es ist nicht auszuschließen, dass die vom Klonen ausgehenden Wirkungen auf die Nutzungsstruktur der Agrarflächen eine Verstärkung der seit den 60er Jahren beobachteten Entwicklungstendenzen im Agrarsektor bewirken werden: Die vollständige Ausschöpfung möglicher Leistungsfortschritte durch intensivste und industriemäßige Wirtschaftsweise führt zu sinkenden Preisen und neben der tierbezogenen Flächenbedarfsminderung zu einer weiteren Einschränkung des Agrarraums und einer Verkleinerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche bei gleichzeitiger Zunahme der Veredelungsbetriebe und -regionen. Deshalb dürfte auch in den sehr wettbewerbsorientierten Veredelungsregionen eine Zunahme der regionalen Umweltbelastungen zu erwarten sein.
Rechtliche Aspekte
Unter rechtlichen Aspekten ist insbesondere die Beantwortung der Frage von Bedeutung, welchen Regelungen das Klonen von Tieren in Deutschland (und im Ausland) unterliegt, unter welchen Voraussetzungen das Klonen rechtlich zulässig bzw. nicht zulässig ist. Eine ausdrückliche Berücksichtigung der Klonierungstechniken findet sich im Tierschutzgesetz nicht. Das Klonen von Tieren könnte jedoch durch die Regelungen des § 7 Abs. 1 TierSchG erfasst sein, da dieser Paragraf Bestimmungen zu Tierversuchen enthält und die Klonierungsverfahren sich überwiegend noch im Versuchsstadium befinden. Anwendung und Auswirkung dieses Paragrafen werden jedoch sehr unterschiedlich diskutiert: Sieht man das Entkernen der Eizelle nicht als eine Erbgutveränderung im rechtlichen Sinne an, stellt auch das Übertragen der Eizelle in das austragende Tier keinen Tierversuch dar. Gelangt man jedoch (wie z.B. das BML) zu der Auffassung, dass das Klonen mittels Kerntransfer unter die Bestimmungen von § 7 Abs. 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes fällt, weil es sich hierbei um Eingriffe am Erbgut handelt und zudem die Klonierungsversuche für die erbgutveränderten Tiere (oder Trägertiere) mit Schmerzen oder Schäden verbunden sein können, wären Klonierungsversuche mittels Kerntransfer eindeutig genehmigungspflichtig. Das Klonen von Tieren könnte auch und insbesondere dann durch den § 11 b TierSchG (Qualzüchtung) eingeschränkt werden, wenn diese Verfahren Praxisreife erreicht haben und beispielsweise bei der Produktion und Züchtung landwirtschaftlicher Nutztiere eingesetzt würden. Dies gälte allerdings nur dann, wenn mit Hilfe des Klonens quälerische Veränderungen an den Tieren provoziert würden, die in der weiteren Züchtung Bestand hätten. Nach der gängigen Rechtsauffassung scheint somit durch § 7 und § 11b Tierschutzgesetz eine rechtliche Regelung der Klonierung insoweit zu bestehen als hiermit Leiden, Schmerzen oder Schäden für die Tiere verbunden sein könnten. Ein Verbot der Klonierung würde jedoch nur dann in Betracht gezogen werden können, wenn erhebliche Leiden für die Tiere tatsächlich feststellbar sind.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht würde ein Klonierungsverbot die Grundrechte des Forschenden und der Berufstätigen aus Art. 5 Abs. 3 (Forschungsfreiheit) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) verletzen. Ein Klonierungsverbot oder sonstige Beschränkungen des Klonens würden ebenso einen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit darstellen. Eine verfassungsimmanente Schranke, die den Eingriff rechtfertigen könnte, besteht offensichtlich nicht. Nach Art. 12 Abs. 1 GG wäre deshalb ein Klonierungsverbot verfassungswidrig, da es mit dem Wohl der Allgemeinheit nicht vereinbar und durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nicht erfasst wäre. Das Klonen von Tieren ist unter den augenblicklichen Bedingungen somit prinzipiell zulässig und unterliegt nur bedingt Einschränkungen nach gültigem Recht.
Eine neue Situation könnte sich bei einer Aufnahme des Staatsziels Tierschutz in das Grundgesetz ergeben. In Deutschland wird zurzeit der Entwurf eines entsprechenden Verfassungsartikels diskutiert. Einen Gesetzesantrag im 13. Deutschen Bundestag zur Änderung des Grundgesetzes durch Einführung einer Staatszielbestimmung Tierschutz hat der Bundesrat am 28.11.1997 gebilligt. Der Antrag des Bundesrates zielte auf die Einfügung eines Art. 20b in das Grundgesetz mit der Zielbestimmung, dass »Tiere als Mitgeschöpfe geachtet und im Rahmen der Gesetze vor vermeidbaren Leiden und Schäden geschützt werden". Dabei wird der Tierschutz zumeist im Hinblick auf die Beschränkung von Tierversuchen verstanden, aber auch in Bezug auf die Intensivtierhaltung, den Tiertransport oder die Tiertötung. Im Bundestag wurde über diesen Antrag beraten, ohne dass eine Entscheidung über den Antrag erging. Für eine definitive Entscheidung bleibt die jetzige 14. Legislaturperiode abzuwarten. Sollte der entsprechende Artikel in das Grundgesetz aufgenommen werden, könnte das Klonen von Tieren möglicherweise gegen ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut, den Tierschutz, verstoßen, da eine verfassungsimmanente Schranke für Art. 5 Abs. 3 GG bestehen könnte. Zumindest kann jedoch darauf verwiesen werden, dass mit einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Tierschutzes im Einzelfall in der Gesetzesanwendung und Rechtsprechung die erforderliche Abwägung zu anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern (etwa der Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit, aber auch der Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie) erreicht werden könnte. Ein "Staatsziel Tierschutz« schließt wohl insofern die Nutzung von Tieren durch den Menschen nicht schlechthin aus, sie erhöht aber die Anforderungen an deren erforderliche Rechtfertigung.
Ethische Aspekte
Unterschiedliche Positionen in der gesellschaftlichen Diskussion und Bewertung des Klonens von Tieren lassen sich zum Teil auf unterschiedliche grundlegende Wertannahmen zurückführen. Von diesen hängt es auch ab, ob der Klonierung von Tieren z.B. eine gegenüber herkömmlichen oder auch anderen neuen Verfahren der Tierzucht neue Qualität zugeschrieben wird. Einigen theologisch begründeten Positionen gilt die Klonierung z.B. als ein dem Menschen nicht zustehender Eingriff in die Schöpfung. Wer Tieren einen »Eigenwert" oder eine "Kreaturwürde« zuschreibt, wird das Klonen von Tieren in der Regel für moralisch mindestens problematisch halten. Aus einer anthropozentrischen Perspektive stehen vor allem die Frage nach der Sicherheit von mit Hilfe des Klonierungsverfahrens erzeugten Produkten und die mit seiner Anwendung möglicherweise verbundenen ökologischen (Verarmung der genetischen Vielfalt) und sozialen (industrielle Massenproduktion, Kapitalkonzentration, neue Abhängigkeitsverhältnisse) Risiken und Gefahren im Vordergrund. Andere Positionen sehen die Klonierung von Tieren eher als einen Trendverstärker, der bereits jetzt beobachtbare, durch die Nutzung anderer biotechnischer und gentechnischer Reproduktionsverfahren induzierte, unerwünschte Tendenzen noch verstärken könnte, und nicht als einen qualitativ neuen Schritt in der Reproduktionstechnologie.
Die verschiedenen gesellschaftlichen Positionen stehen für das Bemühen, für ein bestimmtes moralisches oder ethisches Ideal zu werben und dadurch ggf. auch das politische Klima zu beeinflussen. Angesichts eines schwierig zu erreichenden moralischen Konsenses ist darüber nachzudenken, an welchen ethischen Prinzipien sich ein möglicher Einsatz der Tierklonierung zu orientieren hat. Das heißt, dass nicht nur ein möglicher Einsatz des Tierklonens ethisch gerechtfertigt sein muss, sondern auch ein Verzicht auf die Anwendung der mit diesem Verfahren gegebenen (therapeutischen) Möglichkeiten. Unter dieser Perspektive steht im Mittelpunkt der ethischen Beurteilung des Klonens die Frage, ob die für das Klonen von Tieren in Anspruch genommenen Ziele oder Zwecke und die in deren Rahmen eingesetzten Mittel oder Methoden einen Eingriff in die Interessensphäre der betroffenen Tiere implizieren und ob in diesem Fall der Eingriff im Sinn der genannten Abwägung ethisch gerechtfertigt werden kann.
Als hochrangig werden von Ethikern in der Regel die Ziele in der biomedizinischen Forschung und Anwendung betrachtet, denen in Bezug auf die Gesundheit des Menschen besondere Dringlichkeit oder gar Lebensnotwendigkeit zukommt und die nur mit Hilfe des Klonens von höheren Tieren erreicht werden können. Auch Ziele im Bereich der Grundlagenforschung können als hochrangig betrachtet werden und ein Klonen von höheren Tieren rechtfertigen, sofern keine alternativen Methoden zur Verfügung stehen. Sollte das Klonen jedoch mit erheblichem Leiden für das betroffene Tier verbunden sein, ist zu prüfen, ob bereits das bloße Erkenntnisinteresse des Menschen einen hinreichenden Rechtfertigungsgrund darstellt oder ob Rechtfertigungen nur bei bestimmten Zielen möglich sind, d.h. dann, wenn sie erforderlich sind, um erhebliches menschliches Leid zu vermeiden. Als den genannten Zielen im Rang nachgeordnet werden zumeist Ziele im Bereich der Nutztierzucht genannt, sofern sie nicht explizit zur Sicherstellung der Nahrungsbasis des Menschen dienen.
Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen
In der angewandten Forschung eröffnet das kerntransferbasierte Klonen neue Wege zur Herstellung transgener Tiere. Einige therapeutisch wirksame Proteine können auf diesem Wege kostengünstig hergestellt werden. Vielversprechend in medizinischer und ethischer Hinsicht erscheint die Gewinnung von körpereigenem Ersatzgewebe, entsprechende Forschungsaktivitäten sind daher besonders förderungswürdig. Unklar ist, ob es gelingen kann, bessere Untersuchungsmodelle für menschliche Krankheiten in Nutztieren zu schaffen, doch sollten wegen der nicht geringen medizinischen Bedeutung auch in diesem Bereich die Anstrengungen verstärkt und unterstützt werden. Insgesamt erscheint der potenzielle Nutzen des kerntransferbasierten Klonens für die Bereiche Forschung und Medizin als relativ hoch.
Im Bereich der Landwirtschaft verspricht die (praxistaugliche) Erstellung von Klonen den Züchtern tierbezogene Leistungs- sowie Qualitätssteigerung bei gleichzeitiger betriebswirtschaftlicher Kostenreduktion. Es ist wahrscheinlich, dass die Klonverfahren die bislang schon bestehenden Trends zur weiteren Optimierung der Leistungspotenziale von Nutztieren, d.h. von Hochleistungstieren, noch verstärken. Im Hinblick auf die Aspekte des genetischen Fortschritts und der genetischen Vielfalt in der Tierzucht kann die Selektion auf spezifische Leistungseigenschaften mit Hilfe des Klonens eine diesbezügliche Vereinheitlichung des (Zucht-)Tierbestandes zum Ziel und damit zugleich eine allgemeine Vereinheitlichung zwangsläufig zur Folge haben. Der hierdurch erzielte (und gewünschte) »genetische Status quo« ist deshalb sehr wahrscheinlich zugleich mit einer Einschränkung der genetischen Vielfalt verbunden. Obwohl grundsätzlich noch ein großer Forschungsbedarf zur genaueren Erfassung des Status quo besteht, sollten dennoch bereits jetzt geeignete Maßnahmen ergriffen werden, die eine "künstliche" Herstellung von immer mehr Nachkommen einzelner Tiere ggf. beschränken. Das betrifft Techniken von der routinemäßigen Künstlichen Besamung bis zum Klonen.
Weiterhin steht zu vermuten, dass die Einführung des Klonens im Zusammenhang mit anderen Reproduktions- und genetischen Züchtungstechniken eine erhebliche Auslagerung der Erzeugung von Zuchtprodukten (Zuchttieren) aus landwirtschaftlichen Betrieben in gewerbliche Unternehmen auslösen bzw. verstärken wird. Damit käme es auch in der Tierzucht zu einer ähnlichen Situation wie in der Pflanzenzüchtung, wo eine pyramidenförmige Struktur aus wenigen Zuchtunternehmen, einer großen Zahl von Vermehrungsbetrieben und vielen Produktionsbetrieben besteht. Der Druck auf die zuständigen Organe der EU und auf nationale Regierungen, für die kommerzielle Nutzung von Gen- und Klonierungstechniken günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, wird vermutlich ansteigen. Hierzu zählen etwa Forderungen, sog. »wettbewerbsverzerrende Vorschriften« - wie Quotenregelungen, Förderobergrenzen oder Bestandsobergrenzen - abzuschaffen.
Die Folgen einer möglichen weiteren Forcierung dieser seit den 70er Jahren im Agrarbereich feststellbaren Entwicklung sind nicht nur quantitativer sondern auch qualitativer Art. Hier wäre seitens der Politik darauf zu achten, dass nicht eine Situation entsteht, in der mögliche negative Effekte der Spezialisierung in der Tierzucht auf den unterschiedlichen Ebenen von Züchtung, Arbeitsmarkt und Betriebsstruktur ggf. immer schwieriger oder gar nicht mehr zu revidieren wären. Insgesamt gesehen erfordert die Anwendung des kerntransferbasierten Klonens in den Bereichen der Landwirtschaft eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile. Bezüglich der Quantität und der Qualität menschlicher Ernährung besteht keine unmittelbare Notwendigkeit, Tiere für die landwirtschaftliche Nutzung zu klonen. Zudem sind die zurzeit absehbaren Auswirkungen auf das einzelne Nutztier - aber auch auf Populationen (Zuchtbestände), Rassen und evtl. auch Arten - möglicherweise ebenso gravierend wie die Auswirkungen auf die Landwirtschaftsstrukturen und die sozioökonomischen Bedingungen der in der Landwirtschaft tätigen Personen.
Unter ethischen Gesichtspunkten hat eine Bewertung des Klonens von Tieren sich im Prinzip an denselben Kriterien zu orientieren, die auch bei der traditionellen Tierzucht als maßgeblich anzusetzen sind (bzw. angesetzt werden müssten). Diesbezüglich wird verschiedentlich auch die Einrichtung einer nationalen Ethikkommission problematisiert, die sich mit den moralisch-ethischen Fragen des Fortschrittes der biologischen und biomedizinischen Technologie insgesamt bzw. mit den Folgen des Fortschrittes in Biologie und Medizin im nicht-humanen Bereich zu befassen hätte. Ihre Aufgabe bestünde in der Beratung politischer Entscheidungsträger und der Information der Öffentlichkeit. Möglicherweise wäre auch eine intensive Zusammenarbeit mit einer ebenfalls diskutierten nationalen Ethikkommission im Humanbereich wünschenswert, u.U. auch eine einzige, mit dem gesamten menschlichen wie nicht-menschlichen Bereich der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen in der Biologie und Biomedizin befasste Ethikkommission sinnvoll. Da weite Teile der Öffentlichkeit auch eine Anwendung der Klonierungsverfahren am Menschen befürchten, könnte die Implementierung partizipativer Verfahren der Meinungsbildung und Politikberatung (wie Konsensuskonferenzen oder Bürgerforen) sinnvoll sein. Die Notwendigkeit vorhersehender und rechtzeitiger Überlegungen und ggf. rechtlicher Regelungen im Hinblick auf das Klonen von Menschen ist jedenfalls keineswegs von der Hand zu weisen.
Eine Analyse der rechtlichen Aspekte des Klonens von Tieren ergab, dass es zurzeit zulässig ist und nur bedingt Einschränkungen nach gültigem Recht unterliegt. Grundsätzlich steht in Deutschland zurzeit die Tierschutzrelevanz teilweise im Widerspruch zu den eigentlichen Ansprüchen des Tierschutzgesetzes, und grundsätzlich steht der Tierschutz hinter der grundgesetzlich verbürgten Forschungsfreiheit zurück. Die Entwicklungen im Bereich des Klonens können jedoch prinzipiell die Notwendigkeit verdeutlichen, dem Tierschutz ggf. grundgesetzlichen Rang zuzugestehen.
Publikationen
Revermann, C.; Hennen, L.
2001. edition sigma
Revermann, C.; Hennen, L.
2000. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000103516
Revermann, C.; Hennen, L.
2000. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000137711