Militärische Nutzung des Weltraums und Möglichkeiten der Rüstungskontrolle im Weltraum
- Project team:
Thomas Petermann (Projektleitung), Christopher Coenen, Reinhard Grünwald
- Thematic area:
- Topic initiative:
Unterausschuss für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung
- Analytical approach:
Monitoring
- Startdate:
2001
- Enddate:
2003
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Gegenstand und Ziel der Untersuchung
Auf Initiative des Unterausschusses für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung hat der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung das TAB mit der Erarbeitung eines Sachstandsberichtes zum Thema »Militärische Nutzung des Weltraums und Möglichkeiten der Rüstungskontrolle im Weltraum« beauftragt. Der Bericht des TAB behandelt am Beispiel der Weltraumrüstung das Wechselspiel zwischen technologischer Dynamik und politischen sowie militärischen Zielen und Leitbildern. Er analysiert aus Sicht der Rüstungskontrollpolitik die Möglichkeiten, solche Entwicklungen zu stoppen oder einzugrenzen, die sich zu einer Gefahr für die Sicherheit und Stabilität des internationalen Staatensystems auswachsen könnten.
Ergebnisse
Schon lange ist der Weltraum Einsatzort für militärische Systeme. Etwa 170 rein militärische Satelliten kreisen um die Erde und erfüllen für die Streitkräfte Funktionen wie Aufklärung, Frühwarnung, Kommunikation und Steuerung. Jetzt zeichnet sich das Überschreiten einer Schwelle bei der militärischen Weltraumnutzung ab: Zukünftig könnten Waffensysteme zur Einsatzreife weiterentwickelt werden, deren Stationierung auf der Erde oder im All eine Spirale des Wettrüstens einleiten könnte.
Dynamik der Technologie, Herausforderung der Rüstungskontrolle
Nicht zuletzt aufgrund neuer technischer Möglichkeiten wird dem Weltraum aus Sicht der militärischen Planer, aber auch der Sicherheitspolitik der militärisch führenden Nationen zunehmend eine Schlüsselfunktion zugeschrieben. Weltweit wachsen die Ausgaben für militärische Forschung und Entwicklung bei Konzepten, Technologien und Systemen. In Strategien, Doktrinen und Planungen wird die Nutzung des Weltraums für die Belange der Sicherheit zu einem zentralen Element. Die USA sind der wichtigste Treiber dieser Entwicklung. Der Weltraum wird dort zunehmend als eine zentrale zivile und militärische Ressource mit höchster Priorität eingeschätzt. Seine militärische Nutzung eröffnet zahlreiche, in der Wahrnehmung von Militär und Politik attraktive Optionen zur Gewinnung und Sicherung der Informationshoheit, zur Prävention, zur Abschreckung und zur Kriegsführung.
Bedrohungen und Fähigkeiten: die Doktrin der »space control«
Bereits 2001 hatte eine hochrangige Kommission unter Leitung des jetzigen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld die nationalen Sicherheitsinteressen der USA im Weltraum in die »nationalen Topprioritäten« eingeordnet und empfohlen, dass die USA die Mittel entwickeln müsse, um feindliche Angriffe in und aus dem Weltraum abzuschrecken oder sich dagegen verteidigen zu können (»space control«). Zu diesen Mitteln gehörten auch im Weltraum stationierte Waffen. Pläne und Aussagen der Bush-Administration knüpfen hier an und lassen ein verstärktes Interesse an der militärischen Nutzung des Weltraums erkennen. »Space superiority« zu erreichen gilt sowohl als Ziel wie auch als Schlüsselaspekt bei der Transformation der US-Streitkräfte.
Militärische Weltraumtechnologie und Waffensysteme
Aus der Sicht von Politik und Militär spielen neue Technologien die Schlüsselrolle bei der Erreichung der gewünschten Ziele und Fähigkeiten der Streitkräfte. Insbesondere die »space control capabilities« und zunehmend die »space force application capabilities« basieren auf der Prämisse fortgeschrittener Technologien und Systeme. Für zahlreiche militärische Einsatzbereiche wird deshalb durch verstärkte Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsaktivitäten diese Grundlage auch tatsächlich geschaffen.
Mithilfe eines Blicks in die militärische FuE-Planung der Vereinigten Staaten lässt sich ein Bild von der Förderung und Zielführung der »enabling technologies« gewinnen. Beim Raumtransport sind Bemühungen zur Verbesserung der Antriebstechnik festzustellen. Ein Fernziel stellt ein »Weltraumflugzeug« dar, dessen Betrieb ähnlich funktional und situationsangepasst erfolgen kann, wie der eines Flugzeugs. Bei den Satellitenoperationen ist die Entwicklung von Kleinsatelliten ein auffälliger Trend. Hochmanövrierfähige Mikrosatelliten oder Serviceroboter eröffnen neue militärische Einsatzoptionen bei der Bekämpfung fremder Satelliten.
Von größter Bedeutung sind Anstrengungen bei Forschung und Entwicklung für die Bereitstellung einsatzfähiger Waffensysteme. Derzeit sind keine eingeführten raumgestützten Waffensysteme bekannt. Im Forschungs- und Entwicklungsstadium befindet sich aber eine ganze Reihe von Systemen: zum Einsatz im Weltraum, z.B. »Killersatelliten«, die ein erster Schritt zur Verwirklichung des angestrebten Ziels umfassender »space control« sein könnten; aus dem Weltraum heraus, wie raumgestützte Laserwaffen oder Kinetische-Energie-Waffen zur Bekämpfung von Zielen auf der Erde sowie zum Einsatz in den Weltraum hinein, wie boden- oder luftgestützte Laserwaffen oder bodengestützte »Kill-Vehicles« zur Bekämpfung von Satelliten und Interkontinentalraketen.
Rüstungskontrolle für den Weltraum – eine »mission impossible«?
Aus rüstungskontrollpolitischer Sicht bereiten die dargestellten Tendenzen Sorgen, zeigt sich doch, dass das bestehende weltraumrechtliche Instrumentarium und die vorliegenden Rüstungskontrollvereinbarungen nicht geeignet sind, eine weitere Militarisierung des Weltraums zu bremsen, geschweige denn zu verhindern.
Angesichts der verhärteten Fronten zwischen den USA und den anderen Akteuren mag es als utopisch erscheinen, rüstungskontrollpolitische Handlungsperspektiven für den Weltraum hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile zu diskutieren. Andererseits weiß man aus Erfahrung, dass sich politische Rahmenbedingungen national wie international ständig wandeln. Die Bemühungen um zunächst kleine Fortschritte, wie z.B. Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen, sollten deshalb fortgesetzt werden. Hierzu hat das TAB Optionen entwickelt und zur Diskussion gestellt.
Kontakt
Christopher Coenen
christopher.coenen∂kit.edu
+49 721 608-24559
Publikation
Petermann, T.; Coenen, C.; Grünwald, R.
2003. edition sigma
Petermann, T.; Coenen, C.; Grünwald, R.
2003. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000137626
Petermann, T.; Coenen, C.; Grünwald, R.
2003. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000103294