Wasser marsch trotz Klimawandel!

Wie digitale Technik genutzt werden kann – und wie sie geschützt werden muss
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Pauline Riousset, Jan-Henning Hansen | 21. Dezember 2023

Wie sichern wir die Versorgung mit Trinkwasser bei zunehmender Knappheit unserer Wasserressourcen? Welche Rolle leisten digitale Lösungen dabei bereits heute? Was können wir von ihnen in Zukunft erwarten? Und wie ist das Risiko eines IT-Sicherheitsausfalls, wenn Systeme zunehmend miteinander vernetzt werden? Bei der Digitalisierung kritischer Infrastrukturen geht es ans Eingemachte! Denn ohne Wasser läuft unsere Gesellschaft nicht mehr rund.

Im letzten Frühling habe ich zusammen mit Saskia Steiger und Claudio Caviezel einen TAB-Bericht zur Digitalisierung kritischer kommunaler Infrastrukturen vorgelegt. Dazu haben wir uns Digitalisierungstrends sowohl in der Abfall- als auch in der Wasserwirtschaft angeschaut und untersucht, inwiefern digitale Lösungen in Krisensituationen eher gewinnbringend sind oder ob sie eher ein Hindernis für deren Bewältigung darstellen.  Am 12.12.2023 war ich eingeladen die zentralen Ergebnisse der Untersuchung bei der AG Bildung und Forschung der CDU/CSU-Fraktion vorzustellen. In der Vorbereitung habe ich mir die Frage gestellt, für welche strategischen Prozesse und aktuellen Gesetzesvorhaben unsere erarbeiteten Handlungsoptionen besonders relevant sein könnten. Gemeinsam mit Jan-Henning Hansen - der derzeit ein Praktikum bei uns im TAB absolviert - möchte ich an dieser Stelle vier laufende Vorhaben der Bundesregierung hervorheben, die von einer vertieften Auseinandersetzung mit Digitalisierungstrends in der Wasserwirtschaft profitieren würden.

Entwicklung eines KRITIS-Dachgesetzes

Ende 2022 legte die Bundesregierung Eckpunkte für ein KRITIS-Dachgesetz vor, mit dem in Ergänzung zum IT-Sicherheitsgesetz auch der physische Schutz von Kritischen Infrastrukturen gesetzlich geregelt werden soll. Mit dem KRITIS-Dachgesetz soll neben einer systematischen und umfassenden Identifizierung aller besonders schützenswerten Infrastrukturen ein institutioneller Rahmen für deren physischen Schutz geschaffen werden. Zu diesem Zweck soll das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) im Rahmen der Bundeszuständigkeit zur zentralen, übergreifenden Behörde für den physischen Schutz Kritischer Infrastrukturen ausgebaut werden.

Die Schaffung eines einheitlichen institutionellen Rahmens für den Schutz Kritischer Infrastrukturen ist ausdrücklich zu begrüßen. Denn der Begriff »Kritische Infrastrukturen« wird derzeit sowohl für die Bezeichnung von besonders schützenswerten Sektoren (z.B. Wasser, Energie, Ernährung) als auch für Anlagen verwendet, deren IT-Systeme aufgrund der Größe ihres Versorgungsgebiets besonders bzw. nach dem Stand der Technik geschützt werden müssen. Wie die in unserem Projekt durchgeführten Befragungen jedoch nahelegen, kann diese doppelte Begriffsverwendung zu Missverständnissen führen. Der im Juli vorgelegte Entwurf zum KRITIS-Dachgesetz bietet einen wichtigen Ausgangspunkt, um diese aus dem Weg zu räumen. Bei der Festlegung von Schwellenwerten für den physischen Schutz von Infrastrukturen (die per Rechtsverordnung erfolgen soll) und bei der Erarbeitung der Nationalen KRITIS-Resilienz-Strategie (Veröffentlichung für 2026 vorgesehen) müsste für ausreichend Klarheit gesorgt werden.  Neben der Begriffsklärung empfehlen wir im Bericht, kleine und mittlere Betreiber bei der Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen zu unterstützen. Das sieht das KRITIS-Dachgesetz zum Teil vor, indem staatliche Risikoanalysen und -bewertungen für die Betreiber kritischer Anlagen regelmäßig durchgeführt werden. Zudem formuliert das Gesetz „einen starken Appell“ an kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), in dem daran erinnert wird, dass Maßnahmen zur Stärkung ihrer Resilienz ergriffen werden können. Ob ein solcher Appell allein für die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen, die erhebliche zeitliche, personelle und fachliche Ressourcen voraussetzen, ausreicht, bleibt angesichts der bereits vorhandenen Lücken im Bereich IT-Sicherheit etwas zweifelhaft.

Umsetzung der NIS-2-Richtlinie

Auch wenn es im KRITIS-DachG nur bei einem „starken Appell“ an KMU bleibt, könnte die Umsetzung der europäischen „Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der gesamten Union“ (NIS-2-Richtlinie) in deutsches Recht zu einer stärkeren Berücksichtigung von KMU führen. Denn bisher führte die Kleinteiligkeit der deutschen Wasserwirtschaft dazu, dass über 99% der Wasserversorgungsunternehmen, die grob geschätzt für mindestens die Hälfte der Wassergewinnung in Deutschland verantwortlich sind, derzeit nicht unter die Regelungen des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) fallen. Folglich wurden Maßnahmen zum Schutz ihrer IT-Systeme – wenn überhaupt - nur auf freiwilliger Basis umgesetzt. Mit der NIS-Richtlinie, die im Oktober 2022 in Kraft getreten ist, gelten für alle mittleren und großen Unternehmen der Wasserwirtschaft, die 50 oder mehr Personen beschäftigen oder deren Jahresumsatz 10 Mio. Euro oder mehr erreicht, gesetzliche Pflichten zur Absicherung ihrer IT-Systeme sowie Meldepflichten. Damit hat sich die Zahl der verpflichteten wasserwirtschaftlichen Unternehmen deutlich erhöht. Da gemäß den Betreiberbefragungen die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen selbst für große KRITIS-Betreiber eine Herausforderung darstellt, plädieren wir in unserem Bericht für ein abgestuftes Vorgehen, um mittelständische Unternehmen nicht zu überfordern. Zur Aufwandsminimierung könnten zudem Maßnahmen ergriffen werden, die den Bekanntheitsgrad von Austauschplattformen und Unterstützungsleistungen erhöhen und für eine Übersichtlichkeit der Angebote sorgen. Ergänzend könnten Förderprogramme, die speziell für kleine und mittlere Unternehmen der Wasserwirtschaft und die hier bestehenden besonderen Anforderungen (vor allem Schutz der Prozess-IT), eine Möglichkeit bieten, die Wirkung von Förderangeboten und damit den Umfang freiwilliger Aktivitäten zur Informationssicherheit in der Wasserwirtschaft zu erhöhen. Investitionen in die Informationssicherheit könnten auch steuerlich absetzbar gemacht werden.

Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie

Im Rahmen der Nationalen Wasserstrategie, die im März 2023 von der Bundesregierung vorgelegt wurde, ist die Digitalisierung der Wasserwirtschaft zentraler Bestandteil. Die Verfügbarkeit von Wasser wird sich aufgrund des Klimawandels verändern und eine Herausforderung für Unternehmen der Wasserwirtschaft darstellen. Für eine nachhaltigere bzw. effektivere Nutzung der Ressource spielen die Erhebung von und der Zugang zu Wasserdaten, wie z. B. Grundwasserstände, eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund sind die Erstellung eines öffentlichen Verzeichnisses verfügbarer relevanter Daten, die Aufbereitung der Daten für eine einfachere Nutzung und die Vereinfachung der Prozesse zur Anforderung von Daten bei den Behörden zentrale Stellschrauben. Die Wasserdatenstrategie der Nationalen Wasserstrategie sieht zu diesem Zweck eine Harmonisierung der Datenbestände vor, die von den Bundesministerien in Zusammenarbeit mit den Ländern und anderen Akteur/innen der Wasserwirtschaft erarbeitet werden soll. So wird ein einheitlicher rechtlicher und technischer Rahmen für das Datenmanagement zur Verbesserung des Datenaustausches, auch zwischen verschiedenen Sektoren, angestrebt bzw. entwickelt. Webbasierte Dienste sollen für unterschiedliche Nutzergruppen ausgebaut werden. Zukünftig soll beispielsweise die Prognosefähigkeit von Wasserhaushaltsanalysen verbessert und die Grundwasserentnahme in Echtzeit überwacht werden.

Die Erschließung, Aufbereitung und Standardisierung von Daten reicht jedoch nicht aus, um deren Potenzial in der Wasserwirtschaft auszuschöpfen. Dazu müssen Kompetenzen in den Bereichen Datenhaltung, Modellierung und Auswertung insbesondere für die kleineren Betriebe zugänglich gemacht werden. Eine Möglichkeit ist der Aufbau von übergeordneten Kompetenzzentren, auf die kleine und mittlere Unternehmen zurückgreifen können. Darüber hinaus sollte der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die wasserwirtschaftliche Praxis sichergestellt werden. Hierzu wurden in einzelnen Bundesländern bereits Vernetzungsplattformen eingerichtet. Von diesen Erfahrungen und Kompetenzen könnten andere Bundesländer profitieren, wozu der Austausch über Ländergrenzen hinweg intensiviert werden sollte.

Klimaanpassungsgesetz und Klimaanpassungsstrategie

Diesen November wurde das erste Klimaanpassungsgesetz beschlossen. Das Gesetz sieht vor, dass die Bundesregierung bis zum Ablauf des 30. September 2025 eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorlegt und alle vier Jahre fortsetzt. Die Klimaanpassungsstrategie wird insbesondere auf Grundlage einer Klimarisikoanalyse entwickelt. Auch wenn digitale Lösungen im Gesetz zunächst nur mit Blick auf das Monitoring angesprochen werden, werden sie bei der Entwicklung von Maßnahmen im Cluster Wasser, Handlungsfeld Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft sicherlich eine Rolle spielen (müssen). Denn die Bewältigung der Folgen des Klimawandels stellt eine große Herausforderung für die Betriebe in der Wasserwirtschaft dar, da Extremwetterereignisse wie Starkregen oder langanhaltende Dürren unmittelbare Auswirkungen auf alle wasserwirtschaftlichen Prozesse haben. Im Rahmen unseres Projektes wurden szenariobasierte Planspiele mit Praktikern aus wasserwirtschaftlichen Unternehmen in der Metropolregion Berlin-Brandenburg durchgeführt. Dabei wurden die Teilnehmer/innen mit konkreten Handlungssituationen konfrontiert, die die Aufrechterhaltung der Versorgungs- und/oder Entsorgungssicherheit gefährden. Um die Ausnahmesituation in den Griff zu bekommen, konnten die Mitspieler/innen auf vorhandene und prototypische digitale Innovationen zurückgreifen, wenn erstere sich als nicht ausreichend erwiesen. Am häufigsten wurden digitale Technologien im Handlungsstrang Hitzewelle eingesetzt. Die überwiegende Mehrheit der Reaktionen bezog sich hier auf die Nutzung des Prozessleitsystems, um die knappen Wasserressourcen durch eine situationsangepasste manuelle Steuerung bestmöglich nutzen zu können. Auch im Szenario Starkregen wurden Prozessleitsysteme intensiv genutzt, allerdings war hier der Handlungsspielraum aufgrund begrenzter Speicherkapazitäten deutlich enger. Beispiele einer digitalen Lösung, die in solchen Situationen helfen können, sind Simulations- und Prognosewerkzeuge zur Vorhersage möglicher Veränderungen im Wasserhaushalt, z.B. zur Entwicklung der Wasserverfügbarkeit oder der Wassernachfrage in einem Versorgungsgebiet infolge des Klimawandels. Sie dienen z.B.  der Ermittlung künftiger Kapazitäts- und Infrastrukturbedarfe. Allerdings muss die integrierte Modellierung von Klima, Land und Wasserhaushalt in ihrer räumlichen und zeitlichen Auflösung weiterentwickelt werden, um kurzfristige Prognosen zu verbessern und langfristige Projektionen von Dürren und Starkregen zu ermöglichen. Werkzeuge, die Infrastrukturen, Prozesse und Wasserhaushalt integriert abbilden und simulieren, erlauben es schließlich, ein besseres Verständnis über künftige Herausforderungen (z.B. häufigere Mischwasserüberläufe durch Starkregenereignisse) zu entwickeln, um auf dieser Basis geeignete Bewältigungsstrategien (z.B. in Bezug auf das Risikomanagement oder den Infrastrukturausbau) abzuleiten. Auch Softwarelösungen, die die Steuerung der Kanalsystemauslastung in Abhängigkeit von aktuellen Regendaten optimieren, werden zukünftig einen Beitrag zur Bewältigung von Extremwetterereignissen leisten. Solche digitalen Lösungen zur Optimierung der Kanalnetzbewirtschaftung können wirtschaftlicher sein als der Neubau zusätzlicher Infrastruktur bzw. Speicherkapazitäten und ermöglichen zudem schnellere Antworten auf Herausforderungen wie Starkregenereignisse, wohingegen die Planungshorizonte für eine Erweiterung der physischen Infrastrukturen bis zu mehreren Jahrzehnten erreichen.

Die vier dargestellten strategischen und gesetzlichen Vorhaben zeigen, dass die Potenziale der Digitalisierung für kritische Infrastrukturen und die Wasserwirtschaft im Besonderen erkannt werden. Für die weitere Planung und Konkretisierung von Maßnahmen lohnt sich jedoch ein Blick in unseren Bericht! Dort finden Sie eine Beschreibung von Potenzialen und Anwendungsfeldern für digitale Lösungen in der Abfall- und Wasserwirtschaft, die alle Akteure und Mitgestalter dazu einlädt, Handlungsmaßnahmen zur Förderung der Digitalisierung bei gleichzeitiger Gewährleistung von Entsorgungs- und Versorgungssicherheit weiter zu konkretisieren.     

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