Über uns
Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) ist eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung, die das Parlament und seine Ausschüsse seit 1990 in Fragen des wissenschaftlich-technischen Wandels berät.
Aufgaben und Ziele
Technikfolgen abschätzen – für Parlament und Gesellschaft
Zu den Aufgaben des TAB gehören die Konzeption und Durchführung von Projekten der Technikfolgenabschätzung (TA-Projekte) und – zu deren Vorbereitung und Ergänzung – die Beobachtung und Analyse wichtiger wissenschaftlich-technischer Trends und damit zusammenhängender gesellschaftlicher Entwicklungen.
Der Aufgabenkatalog umfasst ferner die Beobachtung wissenschaftlich-technischer Trends in frühen Entwicklungsstadien (Horizon-Scanning), den Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit gesellschaftlichen Akteuren durch systematische Diskursanalysen und Dialogverfahren sowie die Stärkung der internationalen parlamentarischen TA in Europa und auch darüber hinaus. (Arbeitsbereiche)
Ziele der parlamentarischen TA sind
- die Potenziale und Auswirkungen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen umfassend und vorausschauend zu analysieren und die damit verbundenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Chancen und Risiken auszuloten,
- die Rahmenbedingungen für wissenschaftlich-technische Innovationen zu untersuchen,
- ein Dialogforum für Gesellschaft und Politik zur Diskussion und Beurteilung wissenschaftlich-technischer Entwicklungen zu bilden
- und auf dieser Grundlage Handlungsbedarf und -möglichkeiten des Parlaments aufzuzeigen.
Mit seinen unparteiischen Analysen trägt das TAB zur Verbesserung der Informationslage des Deutschen Bundestages und zu einer wissenschaftlichen Fundierung seiner Meinungsbildung und Entscheidungsfindung bei. Darüber hinaus unterstützt die Tätigkeit des TAB den öffentlichen Dialog zu technologischen Entwicklungen und Innovationen.
Das TAB hat bisher mehr als 200 Projekte durchgeführt und die Ergebnisse in über 400 Publikationen veröffentlicht.
Auftraggeber und Adressaten
Auftraggeber und erster Adressat unserer Arbeit ist der Deutsche Bundestag.
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Die politische Steuerung liegt entsprechend dem § 56a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in den Händen des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (ABFTA). Dazu bildet er eine Berichterstattergruppe TA, die aus je einem Mitglied der Fraktionen besteht. Diese bereitet dafür im regelmäßigen Austausch mit dem TAB alle Entscheidungen des Ausschusses, z. B. über das Arbeitsprogramm und die Abnahme der Arbeitsergebnisse, vor. Das Sekretariat des Ausschusses unterstützt die Kommunikation zwischen TAB und den Gremien und Mitgliedern des Deutschen Bundestages.
»Technikfolgenabschätzung ist wichtiger als jemals zuvor. [...] Nur durch den Dialog zwischen Politik und Wissenschaft lassen sich die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen.«
Kai Gehring, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung bei der EPTA-Konferenz 2022
Fachausschüsse, Plenum und Öffentlichkeit
Wichtig für die parlamentarische Einbindung unserer Arbeit sind die Fachausschüsse des Bundestages. Sie bringen fachspezifiche Untersuchungsthemen für das TAB ein, beraten die vorgelegten Berichte in ihren Sitzungen, und die Vertreter/innen der Fraktionen debattieren darüber im Plenum.
Alle Arbeitsergebnisse des TAB werden frei zugänglich veröffentlicht - in Form einer Bundestagsdrucksache und/oder als TAB-Publikation.
lnsbesondere mit unseren lesefreundlichen Kurzdarstellungen (TAB-Fokus, TAB-Sensor) und Themenkurzprofilen möchten wir einen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog über wissenschaftlich-technische Innovationen leisten – in Behörden und Unternehmen, an Universitäten und anderen Forschungs- und Bildungseinrichtungen, am Frühstückstisch und in sozialen Netzwerken.
»Ich erwarte mir einen qualifizierten Beitrag der parlamentarischen Technikfolgenabschätzung zu einer ebenso nüchternen wie zukunftsorientierten Aufarbeitung und Bewertung aller Implikationen von künstlicher Intelligenz, Robotik, autonomen Systemen, Big Data, Blockchain etc. Der grenzenlose Hype um diese neuen technologischen Möglichkeiten muss in eine sachliche Debatte überführt werden, auch durch die wissenschaftliche Methodik der TA.«
E. D. Rossmann, TAB-Brief Nr. 49 (2018): Erwartungen an die TA im 19. Deutschen Bundestag, S. 5
Konsensorientierte Themenfindung im Bundestag
Anträge zur Durchführung einer Untersuchung können von allen Fachausschüssen des Deutschen Bundestages bzw. den dort vertretenen Fraktionen (auch gemeinsam) gestellt werden.
Das TAB legt zu jedem Themenvorschlag eine Stellungnahme zur Frage seiner wissenschaftlichen Bearbeitbarkeit sowie weitergehende Überlegungen zu den Zielsetzungen, Inhalten und Methoden eines möglichen Projekts vor.
Unter Leitung des/der Ausschussvorsitzenden diskutiert die Berichterstattergruppe für TA mit den Vertreter/innen des TAB die sachliche, politische und gesellschaftliche Relevanz der beantragten Themen. Auf dieser Basis werden die zu untersuchenden Themen konsensual ausgewählt und dem ABFTA zur Entscheidung vorgelegt.
Trotz des Querschnittscharakters vieler zu analysierender Technologien und Fragestellungen lassen sich im Rückblick auf über 30 Jahre parlamentarische TA thematische Schwerpunkte feststellen: Biotechnologie und Gesundheit, Digitale Gesellschaft und Wirtschaft, Energie und Umwelt, Infrastrukturen und Sicherheit sowie Landwirtschaft und Ernährung.
Inter- bzw. transdisziplinäre und kollaborative Durchführung
Nach der Beschlussfassung durch den ABFTA ist das TAB für die wissenschaftliche Bearbeitung und das Management der Projekte verantwortlich. Am Anfang stehen für das jeweilige Projektteam intensive Recherchen und Expertengespräche zu relevanten Forschungsfragen und -ergebnissen. Diese dienen auch dazu, widerstreitende wissenschaftliche Meinungen und kontroverse Positionen verschiedener Interessengruppen zu eruieren.
Das TAB arbeitet wissenschaftlich inter- bzw. transdisziplinär. Das Projektteam beobachtet über die gesamte Laufzeit die aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen sowie themenbezogene öffentliche und politische Debatten und wertet diese aus. Zu zentralen Fragestellungen eines TA-Vorhabens oder Monitorings schlägt das TAB dem ABFTA die Vergabe von Gutachten an externe Expert/innen bzw. wissenschaftliche Einrichtungen vor. Die Zusammenarbeit mit den externen Gutachter/innen und die Auswertung der Gutachten bilden ein Kernstück der Projektarbeit. Zu Zwischenergebnissen werden Workshops und Fachgespräche im Bundestag veranstaltet. Häufig werden auch Forschungsorganisationen, Unternehmen, zivilgesellschaftliche Gruppen, Behörden oder Bürger/innen in den Untersuchungsprozess einbezogen. So können die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und dem Deutschen Bundestag sowie der Wissens- und Meinungstransfer bereits vor Abschluss der Projekte erfolgen. Die Resultate aller Aktivitäten werden vom TAB zusammengeführt, und das Projekt wird mit einem Endbericht abgeschlossen.
Abnahme und Veröffentlichung der Projektergebnisse
Die TA-Berichterstattergruppe prüft und kommentiert die Abschlussberichte aus TA-Projekten und -Kurzstudien und schlägt im Konsens dem ABFTA ggf. die Abnahme und Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache vor. Häufig werden Projektergebnisse im ABFTA vorgestellt oder sind Grundlage von Fachgesprächen in weiteren Fachausschüssen des Deutschen Bundestages. Grundsätzlich werden alle Ergebnisse frei zugänglich zur Verfügung gestellt.
Inhaltliche und institutionelle Neutralität und Unabhängigkeit
Inhaltliche und institutionelle Neutralität und Unabhängigkeit sind ein wesentlicher Grundpfeiler der Beratungsleistung. Alle Untersuchungen werden nachvollziehbar durchgeführt. Annahmen und Werturteile werden offengelegt und begründet, Arbeitsergebnisse werden lesefreundlich und parlamentsorientiert – d.h. ausgerichtet am Informationsbedarf und an den Aufgaben des Deutschen Bundestages – dargestellt. Die Leitung und die Mitarbeiter/innen des TAB unterliegen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben für den Bundestag keinen inhaltlichen Weisungen ihres Arbeitgebers oder des Bundestages.
» Es ist wichtig, dass Klarheit über die Rollen besteht. Wissenschaft ebnet die Grundlage für unsere politischen Entscheidungen. Bei uns im Bundestag werden TAB-Berichte im Konsens von allen Fraktionen beauftragt und abgenommen. Der parlamentarische Diskurs über technologische Innovation kann also auf einer gemeinsamen Faktenbasis erfolgen.«
Kai Gehring, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (im Interview mit der TATuP)
Arbeitsbereiche
TA-Projekte
In TA-Projekten werden mit einem breiten Untersuchungsansatz komplexe Themen der Wissenschafts- und Technikentwicklung analysiert, die auch einen ausgeprägten Querschnittscharakter haben können und langfristig von gesellschaftlicher Bedeutung sind. Das Leitbild einer umfassenden nachhaltigen Entwicklung bildet eine zentrale Orientierung für die Analyse und Abschätzung wissenschaftlich-technologischer, ökonomischer und sozialer Zukunftspotenziale sowie damit verbundener Forschungs- und Handlungsoptionen.
Kurzprojekte: TA-Kompakt
Auf Beschluss der Berichterstattergruppe TA erarbeitet das TAB bei kurzfristigem Informations- und Beratungsbedarf des Parlaments Themenkurzprofile und Kurzstudien innerhalb von drei bis neun Monaten.
Monitoring
Relevante Teilaspekte des Wandels von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft (z. B. Stand von Forschung und Entwicklung, Regulierung, internationale Vergleiche) und dessen mögliche Auswirkungen werden in Monitoringvorhaben thematisch fokussiert untersucht.
Innovationsanalysen
Innovationsanalysen behandeln Felder mit besonderer Dynamik des Innovationsgeschehens in wissenschaftlich-technischer und sozialer Hinsicht, die ein großes Anwendungspotenzial erwarten lassen und darüber den Strukturwandel von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft besonders stark beeinflussen können.
Foresightanalysen
Mittels Horizon-Scanning/Technikvorausschau werden wissenschaftlich-technische Trends in frühen Entwicklungsstadien beobachtet und in den Kontext gesellschaftlicher Debatten eingeordnet, um Innovationssignale möglichst früh erfassen und ihre Relevanz beurteilen zu können. Eine Fokussierung erfolgt auf jeweils durch die Berichterstattergruppe TA zu bestimmenden Themenfelder, die wissenschaftliche und technologische Trends und/oder bestimmte gesellschaftliche Bedarfsfelder abbilden. Ergebnisse aus dem Horizon-Scanning erscheinen als Themenkurzprofile. Außerdem werden im Rahmen der Foresight-Aktivitäten vorausschauende Analysen potenzieller Gefährdungslagen von Infrastruktursystemen durchgeführt (Resilienz-Radar), um die Entwicklung tragfähiger Resilienzstrategien zu ermöglichen (Resilienz-Check). Die Ergebnisse des Horizon-Scannings, des Resilienz-Radars und des Resilienz-Checks werden als sogenannte Themenkurzprofile, als Foresight-Report und als Resilienz-Dossier der Berichterstattergruppe zur Verfügung gestellt.
Konzepte und Methoden
Die Ergebnisse der Verfolgung und Teilnahme an der laufenden nationalen und internationalen Diskussion über Themen, Konzepte und Methoden der TA werden bei Bedarf in relevanten TA-Arbeitsbereichen berücksichtigt.
Diskursanalyse und Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren
Die Förderung des öffentlichen Dialogs und der gesellschaftlichen Meinungsbildung ist ein wichtiger Teil der parlamentarischen TA. Einem systematischen Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit gesellschaftlichen Akteuren im Deutschen Bundestag kommt besondere Bedeutung bei der Themenfindung und -strukturierung sowie bei der öffentlichen Diskussion der Ergebnisse zu. Mithilfe von partizipativen Diskursanalysen werden Einstellungen und Debatten hinsichtlich zukünftiger Nachfrage- und Handlungserfordernisse repräsentativ untersucht, um gesellschaftliche Bedarfe und Positionen in TA-Untersuchungen systematisch berücksichtigen zu können.
Internationale Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit im »European Parliamentary Technology Assessment Network« (EPTA) bildet die Basis für eine Stärkung der internationalen parlamentarischen Technikfolgenabschätzung in auch über Europa hinaus.
»Wenn Voraussetzungen, Implikationen, Werte und Interessen von wissenschaftlicher Expertise offengelegt werden, kommt es zu besseren Entscheidungen in der Politik.«
E. D. Rossmann, TATuP 29 (1), 2020
Institutionelle Einbindung
Das TAB wird seit 1990 als eigenständige wissenschaftliche Einheit am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) – betrieben. Grundlage ist ein Vertrag mit dem Deutschen Bundestag.
Der Leiter des TAB wird vom KIT im Einvernehmen mit dem als Steuerungsgremium zuständigen Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung benannt. Seit 2002 trägt der Leiter des ITAS, Professor Dr. Armin Grunwald, die wissenschaftliche Verantwortung für die Arbeitsergebnisse des TAB und vertritt diese gegenüber dem Deutschen Bundestag.
Seit September 2013 kooperiert das KIT beim Betrieb des TAB mit dem IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gGmbH und dem Institut für Innovation und Technik (iit) der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH.
Standort des TAB und seines interdisziplinären Teams ist Berlin.
Vernetzung
Das TAB ist Mitglied im europäischen Netzwerk parlamentarischer TA-Einrichtungen (EPTA Network) sowie im deutschsprachigen Netzwerk TA (NTA). Darüber hinaus ist es durch seine institutionelle Einbindung und die langjährige Wissenschafts- und Beratungspraxis seiner Mitarbeiter/innen mit thematisch einschlägigen wissenschaftlichen Einrichtungen und Expert/innen im In- und Ausland vernetzt.
EPTA
- Projektdatenbank der Mitglieder (1985 - jetzt)
- Policy Briefs und Berichte der Mitglieder (1988 - jetzt)
NTA
- Kalender des Fachportals openTA des NTA: Veranstaltungen des Netzwerks TA und weitere Termine mit TA-Relevanz
- openTA-Publikationsdienst führt die Publikationen der kooperierenden NTA-Mitgliedsinstitutionen in einer Datenbank zusammen und ergänzt diese um weitere Quellen, die einen TA-Bezug aufweisen.
-
openTA-Neuerscheinungsdienst »ÜBERDE NTA ELLERRAND« informiert - thematisch geordnet - über neue Bücher zur TA und aus verwandten Forschungsgebieten (Innovationsforschung, Nachhaltigkeitsforschung, Risikoforschung u.a.)
Geschichte der TA im Deutschen Bundestag
Die Idee einer kontinuierlichen Technikfolgenabschätzung zur Unterstützung des Parlaments und seiner Gremien reicht in die 1970er Jahre zurück. Dieses Jahrzehnt war eine Zeit intensiver und konfliktreicher Auseinandersetzungen um Chancen und Risiken der wissenschaftlich-technischen Entwicklung. Angesichts zahlreicher problematischer Folgen für Gesellschaft und Umwelt wuchs zunehmend die Einsicht in die Notwendigkeit einer frühzeitigen Abschätzung und Bewertung der Entwicklung und des Einsatzes von Technik. Eine Antwort auf diese Herausforderung waren Konzepte der Technikfolgenabschätzung. Auch im Deutschen Bundestag wurde über die Chancen und Risiken sowie die Möglichkeiten der Gestaltung von Technik intensiv debattiert. In das Zentrum dieser Diskussion rückte bald die Frage, ob und wie TA im Deutschen Bundestag zur Unterstützung der Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse eingesetzt werden könnte. Das 1972 im US-amerikanischen Kongress eingerichtete Office of Technology Assessment wurde hierbei oft als vorbildhaft angesehen.
Die »Institutionalisierungsdebatte«
Die Institutionalisierungsdebatte begann 1973 mit einem Antrag der damaligen Opposition, der Fraktion der CDU/CSU, ein »Amt zur Bewertung technologischer Entwicklungen beim Deutschen Bundestag« einzurichten (Drs. 7/468). Diesem Vorschlag folgte in den nächsten Jahren eine Vielzahl weiterer Vorschläge aus der Mitte der Fraktionen. Ein wichtiger Meilenstein war die Enquete-Kommission »Einschätzung und Bewertung von Technikfolgen; Gestaltung von Rahmenbedingungen der technischen Entwicklung«, die in der 10. Legislaturperiode durch gemeinsamen Beschluss aller Fraktionen vom 14. März 1985 eingesetzt wurde (Drs. 10/2937). Nachdem diese Kommission 1986 einen Vorschlag »Zur Institutionalisierung einer Beratungskapazität für Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung beim Deutschen Bundestag« vorgelegt hatte, schloss sie zum Ende der Legislaturperiode ihre Tätigkeit mit einem Zwischenbericht ab, der Vorschläge zur Organisation von TA beim Deutschen Bundestag enthielt (Drs. 10/5844). Entschieden wurde danach noch nicht.
Der 11. Deutsche Bundestag setzte wiederum eine Enquete-Kommission zur Technikfolgen-Abschätzung ein. Ihr Auftrag war unter anderem, die Kritik am vorliegenden Institutionalisierungsmodell aufzunehmen und einen neuen Organisationsvorschlag zu machen. Die Enquete-Kommission stellte in ihrem Abschlussbericht (Drs. 11/4606) drei unterschiedliche Modelle zur Diskussion und zur Entscheidung:
Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP sahen die Umbenennung des Ausschusses für Forschung und Technologie in Ausschuss für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung vor, welcher die Initiierung und politische Steuerung von TA übernehmen sollte. Mit der Durchführung von TA-Studien wäre eine Institution außerhalb des Parlaments zu beauftragen, die »diese Aufgabe in hoher Selbstständigkeit und eigener Verantwortung« wahrnehmen sollte.
Die Fraktion der SPD schlug vor, einen Ausschuss für parlamentarische Technikberatung und eine bundestagsinterne wissenschaftliche Einheit (etwa 15 Mitarbeiter) einzurichten. Ausschuss und wissenschaftliche Einheit sollten durch ein vom Deutschen Bundestag berufenes Kuratorium unterstützt werden.
Die Fraktion der Grünen votierte für die Gründung einer TA-Stiftung, deren Leitung aus Abgeordneten und nichtparlamentarischen Expertinnen und Experten zusammengesetzt sein und von der Mitgliederversammlung gewählt werden sollte. Der Stiftung sollte ein Institut zugeordnet werden, welches TA-Studien zu begleiten und parlamentsorientiert aufzuarbeiten hätte. Zusätzlich würde dem Präsidium des Deutschen Bundestages eine dauerhafte wissenschaftliche Einheit angegliedert, die – neben anderen Aufgaben – TA-Studien an die Stiftung vergeben sollte.
Die Einrichtung einer parlamentarischen Beratungskapazität für TA
Am 16. November 1989 beschlossen der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und F.D.P. den Ausschuss für Forschung und Technologie in »Ausschuss für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung« umzubenennen und eine wissenschaftliche Einrichtung zu beauftragen, für den Deutschen Bundestag Technikfolgenabschätzung durchzuführen (Drs. 11/5489). Damit waren die Weichen für die Implementierung einer ständigen Einrichtung gestellt. Mit der gefundenen institutionellen Lösung verbanden alle Fraktionen des Deutschen Bundestages – bei allen Unterschieden – die Hoffnung, eine geeignete Form für TA beim Deutschen Bundestag gefunden zu haben: eine ständige TA-Einrichtung, die unabhängig von Wahlterminen und Legislaturperioden das Parlament bei seinen Aufgaben als Gesetzgeber und Kontrollorgan der Regierung sowie bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen des wissenschaftlich-technischen Wandels unterstützen sollte.
Zur Begründung der Einrichtung einer dauerhaften wissenschaftlichen Beratungskapazität für den Deutschen Bundestag:
»Die Dynamik des technischen Fortschritts ist eine der Grundvoraussetzungen für die wirtschaftliche und soziale Leistungsfähigkeit unseres Landes, für die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und für die Lösung globaler Menschheitsprobleme.
Neue Technologien können aber auch nichtbeabsichtigte und unerwünschte Folgen für Mensch und Natur haben. Der Deutsche Bundestag muss dazu beitragen, Chancen neuer Technologien zu nutzen und Risiken zu vermindern. Dazu gehört sowohl die Gestaltung der Rahmenbedingungen des technischen Fortschritts als auch die Beteiligung am sozialen Dialog. Die politische Debatte über Wissenschaft und Technik soll irrationale Haltungen abbauen sowie Orientierung und Vertrauen stärken. Zur Erfüllung seiner Aufgaben in diesem Bereich bedient sich der Deutsche Bundestag verschiedener Instrumente, wie Enquete-Kommissionen, Anhörungen, Wissenschaftlicher Dienst, die sich grundsätzlich bewährt haben. Angesichts der neuen Dimensionen des technisch Machbaren und des steigenden Tempos technologischer Veränderungen hat sich jedoch der Informationsbedarf des Parlaments erhöht. Deshalb ist eine Ergänzung des bestehenden Instrumentariums durch eine kontinuierlich nutzbare Beratungskapazität notwendig.«
Quelle: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Forschung und Technologie, Drs. 11/5489 vom 26. Oktober 1989, S.6
Institutionelle Entwicklung des TAB seit 1990
Am 29. August 1990 wurde nach einem Ausschreibungsverfahren auf Vorschlag des damaligen Ausschusses für Forschung und Technologie ein Vertrag mit dem Kernforschungszentrum Karlsruhe für eine dreijährige Erprobungsphase geschlossen und das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) gegründet. Es wird seither vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) – bis 1995 Abteilung für angewandte Systemanalyse (AFAS) – des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), ein Zusammenschluss von Forschungszentrum Karlsruhe und Universität Karlsruhe, betrieben.
Am 6. Juni 2018 und wiederholt am 21. Juni 2023 hat der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung nach einer Ausschreibung und mehrstufigem Bewerbungsverfahren beschlossen, das Karlsruher Institut für Technologie für weitere fünf Jahre mit dem Betrieb des TAB zu beauftragen (bis 31. August 2028), wobei es in bestimmten Aufgabenfeldern weiterhin mit dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) und der VDI/VDE Innovation und Technik GmbH (VDI/VDE-IT) zusammenarbeitet.
Dokumente und weiterführende Links
- Drs. 7/468 - Antrag: Amt zur Bewertung technologischer Entwicklung beim Deutschen Bundestag - 16.04.1973
- Drs. 10/2937 - Beschlussempfehlung und Bericht: zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 10/2383 - Technikfolgenabschätzung und -bewertung zu dem Antrag der Abgeordneten Roth, Vosen, Lutz, Catenhusen, Fischer (Homburg), Grunenberg, Hansen (Hamburg), Dr. Kübler, Nagel, Stahl (Kempen), Stockleben, Vahlberg, Buschfort, Dreßler, Egert, Glombig, Heyenn, Kirschner, Peter (Kassel), Reimann, Schreiner, Frau Steinhauer, Urbaniak, Weinhofer, von der Wiesche, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD - Drucksache 10/2517 - Gestaltung der technischen Entwicklung; Technikfolgenabschätzung und -bewertung - 27.02.1985
- Drs. 10/5844 - Unterrichtung: Bericht der Enquete-Kommission "Einschätzung und Bewertung von Technikfolgen; Gestaltung von Rahmenbedingungen der technischen Entwicklung" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 14. März 1985 - Drucksachen 10/2937, 10/3022 - Zur Institutionalisierung einer Beratungskapazität für Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung beim Deutschen Bundestag - 14.07.1986
- Drs. 11/4606 - Bericht und Empfehlung: Zur Notwendigkeit und Ausgestaltung einer ständigen Beratungskapazität für Technikfolgen-Abschätzung und -Bewertung beim Deutschen Bundestag - 30.05.1989
- Drs. 12/4193 - Beschlussempfehlung und Bericht: zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. - Drucksache 12/3499 - Beratungskapazität "Technikfolgenabschätzung" beim Deutschen Bundestag - 22.01.1993
- Drs. 17/3010 - Bericht: Technikfolgenabschätzung (TA) Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag - Eine Bilanz - 22.09.2010
- Wissenschaftliche Beratung über Chancen und Risiken. Bildergalerie und Artikel zur Festveranstaltung anlässlich des 20-jährigen Jubiläums im Webarchiv des Deutschen Bundestages
- Parlamentarische Technikfolgenabschätzung in Europa.
Grunwald, A.; Hennen, L.; Sauter, A. im Schwerpunktheft »Technik, Folgen, Abschätzung« der Zeitschrift »Aus Politik und Zeitgeschichte« (Beilage der Wochenzeitung »Das Parlament«) vom 3. Februar 2014 . - Technikfolgenanalysen und Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag. »Aktueller Begriff« der Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages vom 18. Februar 2014.
- Festschrift "25 Jahre wissenschaftliche Politikberatung - Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag"
- lookKIT 03/2019, Für eine sachliche Debatte (Zeitschriftenaufsatz über das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag)
- Wissenschaft und politische Beratung, Interview mit E. D. Rossmann, TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis, v. 29, n. 1, p. 52-55, 1 Apr. 2020.
- Pressemitteilung des Bundestages vom 21.06.2023: „Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) bleibt Betreiber des Büros für Technikfolgen-Abschätzung“.
- Presseinformation des KIT vom 21.06.2023: „Technikfolgenabschätzung: KIT berät den Bundestag für weitere fünf Jahre“.
-
Handbook of Technology Assessment
Grunwald, A. (Hrsg.)
2024. Edward Elgar Publishing. doi:10.4337/9781035310685
-
Parlamentarische TA
Grünwald, R.; Peissl, W.
2021. Technikfolgenabschätzung : Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Hrsg.: S. Böschen, 131–143, Nomos Verlagsgesellschaft. doi:10.5771/9783748901990-131 -
Technikfolgenabschätzung : Handbuch für Wissenschaft und Praxis
Böschen, S.; Grunwald, A.; Krings, B.-J.; Rösch, C. (Hrsg.)
2021. Nomos Verlagsgesellschaft. doi:10.5771/9783748901990 -
Gesellschaftliche Transformationen : Gegenstand oder Aufgabe der Technikfolgenabschätzung?
Lindner, R.; Decker, M.; Ehrensperger, E.; Heyen, N.; Lingner, S.; Scherz, C.; Sotoudeh, M. (Hrsg.)
2021. Nomos Verlagsgesellschaft. doi:10.5771/9783748901556 -
Goodbye Expert-Based Policy Advice? Challenges in Advising Governmental Institutions in Times of Transformation
Kehl, C.; Albrecht, S.; Riousset, P.; Sauter, A.
2021. Sustainability, 13 (23), Art.-Nr.: 13442. doi:10.3390/su132313442
-
Die neutrale Normativität der Technikfolgenabschätzung : Konzeptionelle Auseinandersetzung und praktischer Umgang
Nierling, L.; Torgersen, H. (Hrsg.)
2020. Nomos Verlagsgesellschaft -
30 Jahre TAB – 30 Jahre Beiträge zu einer vorausschauenden und vorsorgenden Politikgestaltung. TAB-Brief Nr. 51
TAB
2020. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)
-
Für eine sachliche Debatte = For an Unbiased Debate
Stegmann, B.
2019. LookIT. LookKIT. Das Magazin für Forschung, Lehre, Innovation. The magazine for research, teaching, innovation., 2019 (3), 18–20
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Erwartungen an die TA im 19. Deutschen Bundestag. TAB-Brief Nr. 49
TAB
2018. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) -
“Grand Challenges” meistern: Der Beitrag der Technikfolgenabschätzung
Decker, M.; Lindner, R.; Lingner, S.; Scherz, C.; Sotoudeh, M. (Hrsg.)
2018. Nomos Verlagsgesellschaft
-
»Responsible Research and Innovation« als Ansatz für die Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik – Hintergründe und Entwicklungen
Lindner, R.; Goos, K.; Güth, S.; Som, O.; Schröder, T.
2016. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000133371
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Technikfolgenabschätzung im politischen System : Zwischen Konfliktbewältigung und Technologiegestaltung
Decker, M.; Bellucci, S.; Bröchler, S.; Nentwich, M.; Rey, L.; Sotoudeh, M.
2014. Nomos Verlagsgesellschaft. doi:10.5771/9783845271170-11 -
So viel Neuanfang war nie: Das TAB in der 18. Wahlperiode. TAB-Brief Nr. 43
TAB
2014. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)
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Wissen für das Parlament. 20 Jahre Technikfolgenabschätzung am Deutschen Bundestag
Grunwald, A.; Revermann, C.; Sauter, A.
2012. Berlin : edition sigma, 2012, edition sigma
-
Zwei Jahrzehnte Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag. TAB-Brief Nr. 36
TAB
2009. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)
-
Parlamentarische TA in der Praxis - Einsichten und Aussichten. TAB-Brief Nr. 29
TAB
2006. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)
-
Technikfolgen-Abschätzung für den Deutschen Bundestag : Das TAB - Erfahrungen und Perspektiven wissenschaftlicher Politikberatung
Petermann, T.; Grunwald, A.
2005. edition sigma
-
Parlamentarische TA als neutrale Politikberatung. TAB-Brief Nr. 26
TAB
2004. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) -
Participative technology assessment processes and parliamentary policy advice. Summary
Hennen, L.; Petermann, T.; Scherz, C.
2004. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000137544 -
Partizipative Verfahren der Technikfolgen-Abschätzung und parlamentarische Politikberatung: neue Formen der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit
Hennen, L.; Petermann, T.; Scherz, C.
2004. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000102444
-
Long-term and cross-sectional policy issues in European governments and parliaments. Summary
Hennen, L.; Petermann, T.; Scherz, C.
2003. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000137625 -
Langzeit- und Querschnittsfragen in europäischen Regierungen und Parlamenten
Hennen, L.; Petermann, T.; Scherz, C.
2003. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000102443
-
TA in Europa. TAB-Brief Nr. 19
TAB
2000. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) -
Technikfolgen-Abschätzung und Diffusionsforschung - ein Diskussionsbeitrag
Petermann, T.
2000. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000103280
-
TA-Konzepte. TAB-Brief Nr. 17
TAB
1999. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)
-
Technikfolgen-Abschätzung als Technikforschung und Politikberatung
Petermann, T. (Hrsg.)
1992. Campus-Verlag
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Leiter des TAB und des ITAS
Professor für Technikphilosophie am Institut für Philosophie des KIT
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Leitung des Sekretariats
Organisation, Controlling, Textredaktion
+49 30 28491-101goelsdorf ∂ tab-beim-bundestag de
EPTA-Beauftragter; Internationale Kontakte
+49 30 28491-107gruenwald ∂ tab-beim-bundestag de
Die Kolleginnen und Kollegen des IZT sind maßgeblich an den erweiterten Foresight-Aktivitäten Resilienz-Radar und Resilienz-Check beteiligt. Einen Überblick über das gesamte Team finden Sie auch auf deren Projektseite.
Leitung TAB-Kooperation des iit
+49 30 310078-5414hungerland ∂ iit-berlin de
Stellv. Leitung TAB-Kooperation des iit
+49 30 310078-187ehrenberg ∂ iit-berlin de
Die Kolleginnen und Kollegen des iit sind hauptsächlich im Bereich Horizon-Scanning tätig. Einen Überblick finden Sie auch auf der iit-Projektseite.