Lehren aus der COVID-19-Pandemie

Die Coronapandemie hat auch das europäische Netzwerk parlamentarischer Beratungseinrichtungen der Technikfolgenabschätzung beschäftigt. Ihr Jahresbericht versucht erste Lehren zu ziehen.
People in face masks strolling in Piazza di Spagna, Rome, Italy during the Covid pandemicGabriella Clare Marino/unsplash

Reinhard Grünwald | 28. Januar 2022

Die COVID-19-Pandemie als weltweiter Schock hat fundamentale Auswirkungen auf persönliche, soziale, politische sowie kulturelle Entwicklungen. Die Politik stand und steht noch immer vor der Herausforderung, schwerwiegende Entscheidungen inmitten einer sich dynamisch entwickelnden Krise unter großer Unsicherheit zu treffen. Gleichzeitig wirkt Covid-19 als Katalysator für die Umgestaltung ganzer Lebensbereiche, wie etwa durch die Beschleunigung der Digitalisierung von Bildung, Arbeit und Sozialleben.

Weltweit sind Länder unterschiedlich mit der Pandemie umgegangen. Welche politischen und gesellschaftlichen Diskussionen gab es über die Rolle von Technologie, Wissenschaft und Innovation? Was können wir aus diesen Diskussionen lernen? Das europäische Netzwerk von Institutionen der parlamentarischen Technikfolgenabschätzung hat Antworten auf diese Fragen gesucht und dazu einen Bericht mit dem Titel „The COVID-19 pandemic: Drawing lessons to strengthen societies“ vorgelegt – es handelt sich um eine Gemeinschaftsproduktion der EPTA-Mitglieder, zu der auch das TAB einen Länderbericht beisteuerte. Das Synthesekapitel wurde vom niederländischen Rathenau Instituut, das 2021 die EPTA-Präsidentschaft innehatte, sowie vom Norwegian Board of Technology verfasst. Der internationale Vergleich des Umgangs mit der COVID-19-Pandemie macht diese Studie in ihrer Art einzigartig.

Sehr interessant ist beispielsweise, wie verschieden die unterschiedlichen Länder sich im Spannungsfeld bewegt haben, das zwischen dem Schutz von persönlichen Daten und der Bedeutsamkeit von umfassender Datenverfügbarkeit zur zielgerichteten und evidenzbasierten Eindämmung der Pandemie besteht. Die Pole in diesem Spektrum werden auf der einen Seite von Südkorea markiert, das alle verfügbaren Daten zur Kontaktnachverfolgung Infizierter nutzt – von der Ortung von Mobiltelefonen über Zahlungsvorgänge mit Kreditkarten bis hin zu Überwachungskameras im öffentlichen Raum. Auf der anderen Seite wird in Deutschland deutlich mehr Wert auf Datenschutz gelegt, was u.a. zur Folge hatte, dass bei der Corona-Warn-App auf eine zentrale Datenspeicherung verzichtet wurde. Spannend zu sehen ist auch, wie die durch die Pandemie ausgelöste Krise Kreativität freigesetzt hat: Ein international sehr beachtetes Beispiel ist etwa der deutsche Hackathon „WirVsVirus“ [https://wirvsvirus.org/], an dem im März 2020 Tausende von Bürger/innen teilnahmen, um IT-gestützte Lösungen für vielfältige Probleme der Coronakrise zu finden.

Offiziell übergeben wurde der Bericht am 9. November 2021 im Rahmen der jährlich stattfindenden EPTA-Konferenz, die diesmal in einem Hybridformat (online und offline in Den Haag) stattfand. Das Rathenau Instituut als Veranstalterin hatte hierzu Marc Roscam Abbing eingeladen, den Programmdirektor für COVID-19 der niederländischen Regierung. Während der Konferenz diskutierten die Autorinnen und Autoren ihre Forschungsergebnisse mit Abgeordneten und weiteren politischen Entscheidungsträgern .

In diesem Jahr haben der Deutsche Bundestag und das TAB die Ehre, die EPTA-Präsidentschaft zu übernehmen. Somit werden wir turnusgemäß im Mai ein Arbeitstreffen der Leitungspersonen der Mitgliedsinstitute durchführen sowie im Herbst – als Höhepunkt des EPTA-Jahres – eine internationale Konferenz, die sich diesmal mit dem Thema „Gesellschaftliche Disruptionen“ und der Rolle von Technologie und Technikfolgenabschätzung auseinandersetzen wird.

Die symbolische Übergabe der EPTA-Präsidentschaft von den Niederlanden findet im Rahmen einer vom Rathenau Institutt und dem TAB organisierten Dialogveranstaltung am 23. März 2022 mit Abgeordenten des Deutschen Bundestages in der Niederländischen Botschaft statt.

EPTA

In vielen Ländern Europas und weltweit existieren TA-Einrichtungen, die Parlamente beraten. Diese haben sich im »European Parliamentary Technology Assessment Network« (EPTA) organisiert. Dessen Ziele sind, Erfahrungen auszutauschen, gemeinsam TA-Projekte durchzuführen sowie Parlamente darin zu unterstützen, eigene TA-Kapazitäten aufzubauen. Gegenwärtig hat EPTA 25 Mitglieder, davon sind 13 Vollmitglieder (darunter das TAB). Traditionell versammelt sich die EPTA-Community im Herbst zu einer Fachkonferenz, die sich einem aktuellen Thema widmet und 2021 – wie könnte es anders sein – ganz im Zeichen der Pandemie stand.