Umbau der Stromnetze
Für die Entwicklung der Stromnetze existieren durchaus Spielräume, für deren Ausgestaltung gesellschaftlich zu definierende Präferenzen die Leitlinien vorgeben sollten. Beispiele hierfür sind etwa Fragen danach, ob Wert auf eine Vielfalt der Lösungsansätze und Akteure, auf Eigenständigkeit (z. B. Autarkie, Verringerung der Importabhängigkeit) oder auf Kooperation und Nutzung von Synergieeffekten gelegt wird. Eine wesentliche Gestaltungsoption betrifft den Aspekt, auf welcher geographischen Einheit das Netz organisiert wird, bzw. konkret der Gegensatz »zentral-dezentral«. Das Spektrum der Ansätze reicht dabei von der ausschließlichen Nutzung lokal verfügbarer Ressourcen bis hin zu einem transeuropäischen Verbund mit Nutzung der ergiebigsten Standorte für Erneuerbare Energien (z.B. skandinavische Wasserkraft und Solarstrom aus Südeuropa). Aber nicht nur auf dieser konzeptionellen Ebene sind gesellschaftliche und politische Gestaltungsoptionen vorhanden, sondern auch bei der Frage, welche Technologien eingesetzt werden sollen. Hier bestehen Wahlmöglichkeiten von hoher gesellschaftlicher Relevanz, nicht zuletzt deshalb, weil der Bau von Netzinfrastruktur in der Regel mit (zum Teil tiefgreifenden) Eingriffen in das Lebensumfeld von Menschen und/oder die Umwelt verbunden ist.
Die Schwerpunktbeiträge des TAB-Briefs beleuchten sowohl die Gestaltungsoptionen des zukünftigen Stromsystems als auch die Möglichkeiten einer öffentlichen sowie politischen Beteiligung beim Aus- und Neubau der Stromleitungen. Im ersten Schwerpunktbeitrag berichtet Reinhard Grünwald über die teils völlig neuen Herausforderungen, die die Energiewende an die Stromnetze stellt. Der Aus- und Umbaubedarf der Übertragungs- und Verteilnetze wird umrissen und gleichzeitig werden die Schwierigkeiten dargestellt, diesen Bedarf auch für Laien schlüssig und nachvollziehbar zu begründen. Zur Bewältigung der Herausforderungen für die Netze werden innvovative Technologien und Betriebsweisen sowie zunehmend dezentrale Versorgungskonzepte diskutiert, da der konventionelle Netzausbau nicht zuletzt bei der Frage der öffentlichen Akzeptanz mehr und mehr an seine Grenzen stößt. Viele Bürger nehmen Erdkabel als eine eher akzeptable Alternative wahr. Daher werden in dem Beitrag die Umweltauswirkungen von Freileitungen und Erdkabeln im Vergleich skizziert.
Der gemeinsame Beitrag von Peter Ahmels, Judith Grünert, Reinhard Grünwald und Christoph Revermann stellt »Optionen für Bundestagsabgeordnete betroffener Wahlkreise zur Gestaltung des Interessenausgleichs beim Stromnetzausbau« ins Zentrum. Bei Netzausbauvorhaben erfüllen Abgeordnete mehrere erfolgskritische Funktionen, zum einen als zentrale Ansprechpartner, zum anderen als Vermittler zwischen bundespolitischen Zielen und Entscheidungen (Klimaschutz, Energiewende, Netzumbau) und den lokalen Ansprüchen der Betroffenen. Gleichzeitig sind Abgeordnete, deren Arbeitsschwerpunkte nicht in den Bereichen Energie- oder Umweltpolitik liegen, selbst auch nur Laien, was viele der komplexen Fragestellungen rund um Energiewende und Netzausbau anbelangt. Daher hat das TAB ein Praxishandbuch für Abgeordnete erarbeitet (TAB-Hintergrundpapier Nr. 20; im Erscheinen), das Handlungsmöglichkeiten für erfolgreiche Kommunikation und Bürgerbeteiligung aufzeigt.
Christine Henseling, Michaela Evers-Wölk, Carolin Kahlisch, Britta Oertel und Michael Opielka berichten über die im Rahmen des neuen TAB-Schwerpunkts »Diskursanalyse und Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren« durchgeführten Aktivitäten zum Aufbau eines »Stakeholder Panels TA« und einer ersten online-Befragung zum Thema »Ausbau der Stromnetze im Rahmen der Energiewende«. Das Stakeholder Panel TA soll Dialogprozesse zum zukünftigen Bedarf wissenschaftlich-technischer Entwicklungen anregen, sowie die Sichtweisen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen in die Arbeit des TAB einbringen. Die hier präsentierten Ergebnisse der online-Befragung stellen generelle Einstellungen der Stakeholder zum Ausbau der Stromnetze im Kontext der Energiewende sowie die Bewertung ausgewählter Maßnahmen ins Zentrum.
Der Gastbeitrag von Pia-Johanna Schweizer, ZIRIUS, Universität Stuttgart, befasst sich schließlich mit einer Analyse der Grundlagen der Partizipation von Bürgern aus sozialwissenschaftlicher und philosophischer Perspektive. Diese zur Beratungspraxis des TAB komplementäre grundlagenorientierte Sichtweise liefert erhellende Einblicke beispielsweise in den Zusammenhang zwischen den Zielsetzungen, die mit Partizipationsverfahren angestrebt werden, und den philosophischen Konzepten, vor deren Hintergrund - explizit oder implizit - die Verfahren durchgeführt werden.
Der TAB-Brief Nr. 45 ist wie alle früheren Ausgaben elektronisch verfügbar (TAB-Briefe).
12.05.2015
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