Biometrische Identifikationssysteme

  • Projektteam:

    Thomas Petermann (Projektleitung), Arnold Sauter

  • Themenfeld:

    Digitale Gesellschaft und Wirtschaft

  • Themeninitiative:

    Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

  • Analyseansatz:

    Monitoring

  • Starttermin:

    2000

  • Endtermin:

    2002

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Bis zum Sommer 2001 wurde das Thema „biometrische Identifikationssysteme“ zunehmend im Hinblick auf kundenorientierte Anwendungen, z.B. im Rahmen des E–Commerce, als PIN–Ersatz für Geld– und Kreditkarten oder als Zugangssicherung für PCs und Mobiltelefone, diskutiert. In der Folge der Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 rückten die möglichen Beiträge biometrischer Verfahren zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit in den Vordergrund, was auch im deutschen „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ seinen Niederschlag gefunden hat.

Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung

Im Herbst 2000 begann das TAB mit ersten Arbeiten zum Thema „Biometrische Identifikationssysteme“ gemäß einem Beschluss aus dem Kreis der Berichterstatter für TA. Aufgabe des TAB war es, zunächst informell das Feld der biometrischen Verfahren und Systeme einer ersten Sichtung zu unterziehen und den Versuch einer Bestandsaufnahme sowie einer vorläufigen zu unternehmen.

Die veränderte Lage hat aber die Bearbeiter des TAB veranlasst, die aktuellen Entwicklungen aufzugreifen und die ursprünglich geplante Berichterstattung zu intensivieren.

Der im Februar 2002 vorgelegte Bericht war aber dennoch ausdrücklich als eine vorläufige Bestandsaufnahme zum Stand von Forschung, Entwicklung und Anwendung biometrischer Systeme konzipiert. Auch die Beurteilung der verbraucherpolitischen und rechtlichen Anforderungen an eine sozialverträgliche Ausgestaltung dieser zukunftsträchtigen, aber auch umstrittenen Technologie ist nur als erste Annäherung an eine umfassende Bewertung ihrer Chancen und Risiken zu verstehen.

Nach einer Diskussion des TAB–Berichtes und der Vorschläge zum weiteren Forschungsbedarf beschloss der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, das TAB mit der Erstellung eines weiteren Sachstandsberichtes zu beauftragen. Dabei wurde zunächst festgelegt, das Thema „Leistungsfähigkeit biometrischer Identifikationssysteme“ zu bearbeiten. Die Thematik wurde fokussiert auf den öffentlichen Bereich (Ausweisdokumente, E–Government–Anwendungen). Der zweite Sachstandsbericht des TAB ist für Oktober 2003 geplant.

Ergebnisse

Weltweit sind zahlreiche Systeme in unterschiedlichen Anwendungskontexten, z.B. zur Überprüfung der Handlungsberechtigung von Personen bei E–Banking– und E–Commerce–Transaktionen oder im Rahmen von Zugangskontrollen zu sicherheitsrelevanten Bereichen, in Betrieb. Am häufigsten eingesetzt werden die Erkennung von Fingerbild, Handgeometrie, Gesicht, Stimme, Iris/Retina und Unterschrift/Handschrift, die nach physiologischen, technischen, ökonomischen und Nutzeraspekten beschrieben werden.

Die Leistungsfähigkeit verfügbarer biometrischer Systeme ist auf der Basis der – oftmals äußerst widersprüchlichen – Informationen nicht seriös einzuschätzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um einen weit reichenden, große Nutzergruppen – ob freiwillig oder verpflichtend – einbeziehenden Einsatz biometrischer Systeme geht, z.B. im Rahmen der Ausrüstung von Ausweispapieren.

FuE–Aktivitäten

Der Stand der Forschung und Entwicklung im Bereich biometrischer Systeme konnte für Deutschland etwas umfassender erhoben werden, ebenso auch die Förderaktivitäten der EU, allenfalls exemplarisch jedoch auf internationaler Ebene. Von besonderem Interesse sind die sog. „Pilotprojekte“ zur Evaluierung biometrischer Systeme, die sowohl technische Fragestellungen als auch Verbraucher– und Datenschutzaspekte untersuchen. In Deutschland waren bzw. sind dies insbesondere das u.a. vom BMWi geförderte Projekt BioTrust und das vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) geförderte BioIS–Projekt.

Nachdem bereits seit längerer Zeit insbesondere in mehreren Fraunhofer–Instituten Forschung zur Biometrie betrieben wurde, sind die Förderaktivitäten seitens des Bundes in den vergangenen zwei Jahren insgesamt intensiviert worden. Auch die industriellen Aktivitäten rund um biometrische Anwendungen haben in Deutschland an Dynamik gewonnen, dabei werden zunehmend die Möglichkeiten von Kooperationen im Rahmen von EU–Projekten genutzt.

Markteinschätzung

Allgemein gilt der Markt für Biometrie als Wachstumsmarkt. Vorliegende ökonomische Daten und Einschätzungen zum Einsatz biometrischer Systeme wirken allerdings häufig sehr punktuell und zufällig. In der Regel sind sie wenig transparent, auf keinen Fall geben sie ein vollständiges Bild. Auch die Daten der amtlichen Statistiken liefern keine Grundlage, um relevante Kennziffern für biometrische Produkte und Dienstleistungen (Produktionsumfang, Umsätze, Beschäftigte u.ä.) zu erhalten.

Festgestellt werden können allenfalls tendenziell steigende Umsätze in den vergangenen Jahren: Die USA stellen dabei den dominierenden Markt dar, gefolgt von Europa, Asien und Lateinamerika. Wie so oft, gilt Asien als bedeutender Zukunftsmarkt, doch auch in Europa wird eine zunehmende Nachfrage vermutet.

Verbraucherschutz, Datenschutz

Will man die Chancen der Biometrie nutzen und die Risiken beherrschen, so müssen Gestaltung und Anwendung biometrischer Systeme bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu zählen vor allem hohe Sicherheit, umfassende Vertrauenswürdigkeit, ausreichende Nutzerfreundlichkeit sowie weitgehende Sozialverträglichkeit. Wichtigste rechtliche Grundlage für die Bewertung von biometrischen Verfahren unter Aspekten des Datenschutzes ist das neugefasste Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Im Zusammenhang mit Daten in biometrischen Verfahren ist speziell § 3 Abs. 9 BDSG von Interesse, der „besondere Arten personenbezogener Daten“ benennt und sie unter erhöhten Schutz stellt. Bestimmte Daten in biometrischen Verfahren können einen Informationsgehalt haben, der in diesen besonderen Schutzbereich fällt.

Soweit mit Hilfe biometrischer Verfahren personenbezogene Daten erzeugt werden, unterliegen diese Verfahren den Regelungen des allgemeinen Datenschutzes. Für den öffentlichen Bereich sind spezielle, bereichsspezifische Regelungen erforderlich. Ob und wieweit eine bestimmte Praxis des Einsatzes biometrischer Verfahren datenschutzrechtlichen Vorgaben genügt, hängt grundlegend ab von der Eingriffsintensität. Hier macht das Datenschutzgesetz mit den Prinzipien der offenen Datenerhebung, der Datenvermeidung und Datensparsamkeit sowie der Anonymisierung und Pseudonymisierung Vorgaben, die als Richtschnur für möglichst eingriffsarme Verfahren gelten können.

Einschlägige rechtliche Regelungen

Regelungen, die sich ausdrücklich mit dem Einsatz biometrischer Verfahren befassen, lagen in Deutschland bis vor kurzem nur hinsichtlich ihrer Verwendung im Rahmen elektronischer Signaturen vor. Im Mai 2001 trat ein neues Signaturgesetz (SigG) in Kraft, im Juli 2001 folgte das „Formgesetz“, mit dem die „qualifizierte elektronische Signatur“ wie eine handschriftliche Signatur als formgebundene Erklärung anerkannt wird.

Während das Signaturgesetz bewusst technikoffen formuliert ist, wird in der Verordnung zum Gesetz (SigV) ausdrücklich der Einsatz biometrischer Verfahren ermöglicht. Ergänzend gibt die Verordnung ein bestimmtes Sicherheitsniveau vor: Bei der Anwendung eines biometrischen Verfahrens muss „hinreichend sichergestellt sein, dass eine unbefugte Nutzung des Signaturschlüssels ausgeschlossen ist“ und es muss „eine dem wissensbasierten Verfahren gleichwertige Sicherheit gegeben sein“ (§ 15 Abs. 1 SigV).

Im Zuge der intensiven Diskussionen um Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage seit dem 11. September 2001 wurde auch der Einsatz biometrischer Verfahren erörtert. Der Gesetzgeber ist hier entsprechend tätig geworden. Insbesondere im Pass– und Personalausweisrecht werden durch das „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ („Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“) die Möglichkeiten computergestützter Identifizierung von Personen durch biometrische Daten in Ausweisdokumenten eröffnet. Durch ein zukünftiges Bundesgesetz sollen Einzelheiten festgelegt werden. Im Ausländergesetz wird ebenfalls die Nutzung biometrischer Merkmale in der o.g. Art und Weise als Möglichkeit eröffnet: Einzelheiten bestimmt das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Perspektiven der weiteren Entwicklung

Biometrische Systeme und Verfahren befinden sich weltweit vermutlich in einer entscheidenden Phase der Diffusion. Zahlreiche Indizien lassen ihre Expansion in weitere öffentliche und private Anwendungsfelder erwarten. Die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen (insbesondere das Signaturgesetz und die Signaturverordnung) eröffnen der Biometrie im Bereich elektronisch getätigter Transaktionen und Rechtsgeschäfte einen riesigen Markt. Durch das „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ ist die Tür zum Markt der Sicherheitstechnologien weiter geöffnet worden. Angesichts der wahrscheinlich wachsenden Bedeutung biometrischer Systeme in Wirtschaft und Gesellschaft ist erheblicher Bedarf an Forschung, Information, Diskussion und Aufklärung vorhanden.

Publikationen