Chancen der digitalen Verwaltung
- Projektteam:
Michaela Evers-Wölk (Projektleitung), Jakob Kluge, Saskia Steiger
- Themenfeld:
- Themeninitiative:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
- Analyseansatz:
TA-Projekt
- Starttermin:
2019
- Endtermin:
2022
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Gegenstand und Ziel der Untersuchung
Die Digitalisierung verspricht nahezu in allen Bereichen staatlicher Verantwortung und des Verwaltungshandelns Möglichkeiten eine Erhöhung von Effizienz und Effektivität. Proklamiertes Ziel digitaler Verwaltung ist die Verbesserung von Leistung und Service, zugleich aber auch die Aufwandssenkung und der Abbau unnötiger Bürokratie. Nicht zuletzt besteht das Potenzial der Digitalisierung in einer höheren Transparenz im Sinne der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Informationen (Open Data, Open Government) und einer stärkeren Teilhabe der Bürger/innen an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Mittels neuer Technologien sind Transformationen ganzer Behörden und auch gänzlich neue Verwaltungsprodukte vorstellbar. In der politischen Diskussion wird indes problematisiert, dass Deutschland bei der Digitalisierung seiner Verwaltung ein strukturelles Defizit aufgebaut hat. Gleichzeitig wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Aktivitäten zur Verbesserung der Situation in die Wege geleitet. Nicht zuletzt wurde 2017 das Onlinezugangsgesetz (OZG) mit dem Ziel verabschiedet bis 2022 alle Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung für Bürger/innen sowie für Unternehmen digital über Onlineportale zugänglich zu machen.
In den aktuellen fachöffentlichen Debatten wird vor allem auf die Potenziale von Systemen der künstlichen Intelligenz (KI) und der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) für den Bereich der öffentlichen Verwaltung verwiesen. Mit KI-Technologien werden selbstständig und datenbasierte Entscheidungsprozesse verbunden, deren vielfältige Einsatzszenarien insgesamt in einer Erhöhung der Effektivität, Qualität und Sicherheit von Verwaltungsprozessen resultieren können. Ähnliches gilt für DLT und Blockchain, welche mittels verteilter Datenstrukturen z.B. ermöglichen könnten, Transaktions- und Prozessmanagement im Zusammenhang mit Registern und Grundbüchern effizient und sicher zu gestalten sowie behördenübergreifend zu automatisieren.
Grundlage der vorliegenden TA-Untersuchung bildet eine prospektiv ausgerichtete Analyse der Technologiefelder KI und DLT sowie deren Innovationspotenziale für die weitere Entwicklung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Zusätzlich werden in der Untersuchung europäisch und international einschlägige Praxisbeispiele der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen aus dem Ausland einbezogen, deren technologische Grundlage KI- oder DLT-basierte Entwicklungen sind. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend erfolgt eine vertiefende Untersuchung der grundlegenden Herausforderungen, die sich für die öffentliche Verwaltung bei der Nutzung von KI und DLT stellen.
Zentrale Ergebnisse
Die Analysen zum Status quo der Nutzung von KI und DLT im In- und Ausland zeigen, dass beide Technologiefelder in immer mehr Anwendungsfeldern auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung zum Einsatz kommen. So finden sich KI-Anwendungen in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland sowohl auf Bundes- und Landes- als auch auf kommunaler Ebene. Es zeigt sich dennoch, dass die Anzahl der pilotierten bzw. implementierten KI-Anwendungen in der öffentlichen Verwaltung im Vergleich zur privaten Wirtschaft noch gering, die Nutzung von KI nach wie vor eher Nischenthema ist. Mögliche Ursachen hierfür sind mangelndes Know-how, aber auch Widerstände aufgrund von etwaigen Arbeitsplatzveränderungen und Verantwortlichkeitsproblemen bei KI-basierten Entscheidungen sowie (datenschutz)rechtliche Hindernisse. Von den in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland identifizierten DLT-Projekten befinden sich viele erst in der Planungsphase oder als Pilotprojekt im Teststadium. Die Behördenleiterbefragung zeigt hier, dass das Wissen und die Kompetenzen rund um DLT in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland bislang wenig entwickelt ist.
Im internationalen Vergleich zur Nutzung von KI und DLT in der öffentlichen Verwaltung zeigt sich, dass in vielen Ländern etliche Digitalisierungsprojekte bereits in den Regelbetrieb der Verwaltungen überführt wurden. Eingeführt wurden neben Einzelanwendungen, wie die automatisierte Verkehrssteuerung oder Verifikation von Dokumenten und Zeugnissen, auch umfassende digitale Infrastrukturen als Grundlage für verschiedene Verwaltungsdienstleistungen (Anmeldung eines Wohnsitzes, Beantragung von Unterstützungsleistungen wie Kindergeld).
Mit dem Fortschreiten der Technologien sowie der Entwicklung, Pilotierung und Übernahme von KI- und DLT-Anwendungen in den Regelbetrieb stellen sich für die öffentliche Verwaltung in Deutschland neben den Chancen zur Erschließung der Anwendungs- und Innovationspotenziale gleichzeitig neue Herausforderungen bei der Nutzung.
Herausforderungen für KI-Anwendungen in der öffentlichen Verwaltung betreffen unter anderem die Qualität des jeweils zugrundeliegende KI-Modells als auch eine Verfügbarkeit und Güte der Datenbasis. So kann ein mangelndes Verständnis über zugrundeliegende Modelle und Verfahren zu Missinterpretationen der Ergebnisse im Rahmen des Verwaltungshandelns führen oder dazu, dass die Ergebnisse von KI-Anwendungen nicht kritisch hinterfragt werden. Im Zusammenhang mit der Güte der Datenbasis besteht die Gefahr, dass innerhalb von KI-basierten Klassifizierungs-, Prognose- oder Empfehlungsentscheidungen etwaige strukturelle Verzerrungen (Bias) in der zugrundeliegenden Datenbasis fortgeschrieben werden. Zudem zählen Fachwissen als auch implizites Erfahrungswissen bei der Erschließung von Innovationspotenzialen der KI zu den Bereichen, die bislang nur schwer in der öffentlichen Verwaltung selbst aufgebaut werden konnten eine Voraussetzung für KI-Anwendungen im Regelbetrieb darstellen.
Für die Einführung von DLT-Anwendungen in die öffentliche Verwaltung herausfordernd sind unter anderem die Komplexität der Technologie, steigende und verteilte Datenmengen und damit auch steigende Anforderungen an die Aufbewahrung der Daten. Auch müssen die DLT-Anwendungen in bestehende Verwaltungsprozesse und IT-Systeme integriert werden, ein Umstand, den es bei der Entwicklung und Implementierung von jeweils verfahrensbezogenen Sicherheitskonzepten der DLT-Anwendungen zu berücksichtigen gilt. Aufbau und Betrieb von DLT-Anwendungen erfordern zudem erfahrene Fachkräfte aus den Datenwissenschaften, der Kryptologie und Informatik. Zudem ergibt sich für DLT-Anwendungen die Notwendigkeit, technischen Konfigurationen jeweils in Hinblick auf ihre Energieaufwände zu prüfen und hinsichtlich des Energie- und Ressourcenverbrauchs zu bewerten.
Aus den Ergebnissen abgeleitete Handlungsfelder ergeben sich primär in den Bereichen der Steuerung und Koordination von Digitalisierungsvorhaben, der Kompetenzentwicklung und des Wissensmanagements in öffentlichen Verwaltungen sowie in den Bereichen der Anpassung regulatorischer Rahmenbedingungen und Gestaltung von behördenübergreifenden Anwendungen.
Publikationen
Evers-Wölk, M.; Kluge, J.; Steiger, S.
2022. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000151158
Evers-Wölk, M.; Kluge, J.; Steiger, S.
2022. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000151160
Evers-Wölk, M.; Kluge, J.; Steiger, S.
2022. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000151641
Im Bundestag
- Vorgang - Bericht, Gutachten, Programm im Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien (DIP)
- Kurzmeldung (hib) "Bericht zum Stand von KI in der öffentlichen Verwaltung" - 06.10.2022 (hib 520/2022)