Gentechnik, Züchtung und Biodiversität

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Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung

Das TA-Projekt zum Themenfeld "Gentechnik und Züchtung unter dem Aspekt der 'biologischen Vielfalt' im Agrarbereich" geht auf einen Vorschlag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zurück. Die Fragestellung wurde auf den Bereich der Pflanzenzüchtung eingegrenzt und sollte - so weit wie möglich - auf den deutschen Agrarbereich, unter Berücksichtigung der europäischen Rahmenbedingungen, beschränkt werden.

Zielsetzung des TA-Projektes war es zu untersuchen, welche negativen Einflüsse vom Einsatz der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung auf die Biodiversität ausgehen können, welche Beiträge Züchtung und Gentechnik zum Erhalt der Biodiversität leisten können und schließlich welche politischen Gestaltungsmöglichkeiten ableitbar sind. Es zeigte sich, dass eine Beschränkung auf eine technikzentrierte Perspektive bei diesem Thema unbefriedigend gewesen wäre. Insbesondere zur Frage der Erhaltungsmöglichkeiten pflanzengenetischer Ressourcen und biologischer Vielfalt allgemein erschien eine thematische Erweiterung notwendig, um die Bedeutung von Gentechnik und Züchtung im Rahmen der Gesamtproblematik darstellen zu können.

Andererseits machten die umfangreichen inhaltlichen Zusammenhänge eine Beschränkung des vertieft bearbeiteten Themenspektrums notwendig. Die Schwerpunkte des Berichtes sind die Beschreibung von Wirkungsketten, die vom Einsatz neuer Pflanzensorten in der Landwirtschaft auf die Biodiversität ausgehen können, sowie eine Darstellung und Diskussion der Erhaltungsmöglichkeiten für biologische Vielfalt, insbesondere pflanzengenetische Ressourcen.

Stand der Arbeiten

Die Bearbeitung des Projektes wurde nach Beauftragung durch den damaligen Ausschuss für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung (BFTA) im Herbst 1996 begonnen. Vier Gutachten wurden vom TAB zur Darstellung des wissenschaftlichen und politischen Diskussionstandes in Auftrag gegeben. Der Endbericht wurde im April 1998 den Berichterstatterinnen und Berichterstattern für Technikfolgenabschätzung des BFTA vorgelegt, im Juni 1998 vom BFTA abgenommen und im Juli als Bundestagsdrucksache (BT-Drs. 13/11253) veröffentlicht.

Ergebnisse

Die biologische Vielfalt (Biodiversität) umfasst die drei Ebenen der genetischen Vielfalt, der Artenvielfalt und der Ökosystemvielfalt. Von den geschätzten 10 bis 20 Mio. Arten auf der Erde sind erst etwa 1,75 Mio. wissenschaftlich erfasst. Noch geringer sind die Kenntnisse über genetische Vielfalt innerhalb von Arten bzw. Populationen. Ebenso sind die Kenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Ökosystemvielfalt einerseits und genetischer und Artenvielfalt andererseits sowie über die Auswirkungen von Fragmentierung, Verkleinerung, Vereinfachung und Zerstörung von Ökosystemen auf die biologische Vielfalt sehr unvollständig.

Die pflanzengenetischen Ressourcen (PGR) umfassen das gesamte generative und vegetative Reproduktionsmaterial von Pflanzen mit aktuellem oder potentiellem Wert für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Als Folge der Intensivierung der Agrarproduktion ist - nach einem Höhepunkt agrarischer Vielfalt um die Mitte des 19. Jahrhunderts - ein erheblicher Teil der PGR bedroht bzw. verloren gegangen. Die noch vorhandenen PGR sind unzureichend erfasst, charakterisiert und evaluiert. Insbesondere fehlen Kenntnisse über die genetische Variation von PGR an den natürlichen Standorten sowie über die Mindestgrößen von Populationen für die Erhaltung der genetischen Vielfalt.

Pflanzenzucht und rechtliche Regulierung

Die kommerzielle Pflanzenzüchtung konzentriert sich aus ökonomischen Gründen auf wenige Hauptfruchtarten. Seit den 50er Jahren hat ein Konzentrationsprozess bei den angebauten Kulturarten und Sorten stattgefunden, wobei seit Mitte der 80er Jahre ein schnellerer Sortenwechsel zu beobachten ist. Allerdings ist die genetische Diversität zwischen den Sorten vermutlich oftmals gering. Während in vielen Industrieländern Großunternehmen den Saatgutmarkt dominieren, wird die Situation in Deutschland durch eine Vielzahl kleiner und mittlerer Züchtungsunternehmen geprägt. Die moderne biotechnologische, insbesondere die gentechnisch unterstützte Züchtung stellt für die mittelständisch strukturierte deutsche Pflanzenzüchtung eine Herausforderung dar, weil sie mit hohen Kosten verbunden und der Zugang zu Genkonstrukten infolge der Patentierung unter Umständen nicht gesichert ist.

Das Sortenschutzrecht stellt als privates Ausschließlichkeitsrecht die rechtliche Voraussetzung für die Refinanzierung der Züchtungsinvestitionen dar, während das Saatgutverkehrsgesetz den Handel von Saat- und Pflanzgut zum Schutz der Verbraucher regelt. Sorten, die über keine Zulassung verfügen, dürfen auch nicht gehandelt werden. Die derzeit geltenden Zulassungskriterien für neue Sorten verhindern die Handelbarkeit vieler Alter Sorten sowie von Land- und Hofsorten und wirken sich dadurch ungünstig auf die pflanzengenetische Vielfalt im Anbau aus. Nicht nur die Zulassungskriterien Homogenität und Beständigkeit, sondern auch die bisherige Praxis der Auslegung des Kriteriums "landeskultureller Wert" in Richtung Ertrags-, Resistenz- und Qualitätseigenschaften würden eine Diversifizierung der Zuchtziele und damit der Pflanzensorten einschränken, wird teilweise kritisiert. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Sortenschutz und Patentrecht wird die Befürchtung geäußert, dass die konventionelle bzw. traditionelle Züchtung in Zukunft behindert werden könnte durch die neuen Schutzelemente, die aufgrund der spezifischen Anforderungen bio- und insbesondere gentechnologischen Methoden nötig wurden. Der Saatgutmarkt drohe dadurch einer unerwünschten Entwicklung in Richtung einer zunehmenden Konzentrierung, bei bestimmten Pflanzenarten gar Monopolisierung zu nehmen.

Auswirkungen neuer Sorten auf die biologische Vielfalt

Direkte Auswirkungen neuer Sorten können auf innerartlicher Ebene die (genetische) Vielfalt der zugelassenen und angebauten Sorten, auf Speziesebene die Zahl der angebauten Kulturarten und auf Ökosystemebene die Mengenanteile der Kulturarten sowie die Fruchtfolgen betreffen. Die Wahl einer neuen, vorzüglichen Sorte kann im Einzelbetrieb oder auch in einer Region - je nach Rahmenbedingungen - entweder eine Ausweitung oder (z.B. im Falle einer Abnahmebegrenzung) eine Einschränkung der Anbauflächen nach sich ziehen, wodurch wiederum die Anbauvielfalt erniedrigt oder erhöht bzw. als Folge von Extensivierungen oder gar Flächenstillegungen das Agrarökosystem grundlegender beeinflusst werden kann. Es ist - auf der Grundlage der vorliegenden Informationen - nicht plausibel, von der modernen (konventionellen oder gentechnisch unterstützten) Pflanzenzüchtung so überlegene neue Sorten zu erwarten, die (in Deutschland und/oder Europa) großflächig und in einem Umfang angebaut werden, dass daraus gegenüber der bestehenden Situation eine spürbare Einengung der Arten- und Sortenvielfalt resultieren würde. Vielmehr werden kurz- und mittelfristig - und aller Voraussicht nach auch langfristig - andere Faktoren, wie die agrarpolitischen Rahmenbedingungen, die weltweite Nachfrage nach Agrarprodukten oder auch geographische Restriktionen, die entscheidenden Einflüsse auf Art und Umfang der angebauten Kulturarten und Sorten ausüben.

Indirekte Auswirkungen des Einsatzes neuer Pflanzensorten können sowohl die inter- und intraspezifische Vielfalt der Agrarökosysteme (abgesehen von den angebauten Kulturpflanzen selbst) als auch die der umgebenden oder über Wirkungsketten verbundenen Ökosysteme betreffen. Zwei potentielle Einwirkungspfade wurden im TA-Projekt analysiert: einerseits die Folgen einer veränderten Anbaupraxis, die aus den Eigenschaften neuer Sorten resultieren können, andererseits mögliche Auswirkungen der Einbringung neuer Merkmale durch Verwilderung und Auskreuzung oder horizontalen Gentransfer. Einflüsse können insbesondere auf Bodenlebewesen, Ackerbegleitflora, Pflanzenkrankheiten, Schädlinge und Nützlinge ausgehen. Die Beeinflussung der Anbaupraxis durch die derzeit absehbaren gentechnisch veränderten Pflanzensorten sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Biodiversität sind nur sehr eingeschränkt zu prognostizieren, zum einen wegen der Vielfalt der geographischen Regionen in Mitteleuropa, zum andern wegen der Vielzahl interagierender Faktoren. Aus der - meist gentechnisch erfolgten - Übertragung monogener Resistenzen gegenüber Krankheiten und Schädlingen lassen sich vor allem Wirkungsketten hinsichtlich der Resistenzentwicklung ableiten, die u. U. von großer praktischer Relevanz sein werden. Eine schnelle Resistenzüberwindung durch Krankheitserreger oder Schädlinge stellt primär einen Nachteil der Sorte und ihres Anbaus selbst dar. Bei einem großflächigen Anbau von transgenen Sorten mit Bacillus-thuringiensis-(B.t.)-Genen ist allerdings auch die bisherige Anwendung von B.t.-Präparaten im konventionellen und vor allem im ökologischen Landbau bedroht. Der großflächige Anbau von B.t.-Mais und B.t.-Baumwolle in den USA wird erste konkrete Hinweise liefern, ob die bislang entwickelten Resistenzmanagement-Strategien adäquat und wirkungsvoll sind.

In der Diskussion um die biologische Sicherheit der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung werden als mögliche Auswirkungen die Verwilderung von Nutzpflanzen sowie der vertikale und horizontale Transfer von Genen aus der Nutzpflanze auf andere Arten diskutiert.

Das Auswilderungspotential von Nutzpflanzen ist - natürlich mit einem gewissen Maß an Unsicherheit - beschreibbar. Trotz der entwicklungsgeschichtlichen, verwandschaftlichen Beziehungen zwischen Nutzpflanzen und Unkräutern ist bis heute kein Fall bekannt, in dem eine hoch domestizierte Nutzpflanze sich außerhalb von Agrarökosystemen hätte etablieren können. Denn grundsätzlich sinkt das Auswilderungspotential mit dem Grad an züchterischer Bearbeitung und der damit einhergehenden Distanz zur Wildpflanze. Die bisherigen Freisetzungsversuche mit transgenen Pflanzen haben keine erhöhte Fitness gegenüber vergleichbaren konventionellen Sorten erkennen lassen. Das Wissen um die Parameter, die die ökologische Fitness bestimmen, ist allerdings noch rudimentär. Da die konventionelle und gentechnisch unterstützte Pflanzenzüchtung auf die Anbaueignung für landwirtschaftliche Produktionssysteme hin selektiert, ist aber die Verwilderung von neuen Sorten prinzipiell unwahrscheinlich.

Über das Auskreuzen mit verwandten Wildpflanzen können einzelne Merkmale oder Merkmalsgruppen auf Dauer in Wildpopulationen eingebracht werden (sog. vertikaler Gentransfer zwischen fortpflanzungsfähigen Kreuzungspartnern). Ein spezifisches gentechnisch vermitteltes Risiko (immer verglichen mit entsprechenden konventionellen Hochleistungssorten) kann allgemein nicht benannt werden. Manche der längerfristig anvisierten, gentechnisch zu erreichenden Züchtungsziele, wie Resistenz- bzw. Toleranzeigenschaften gegenüber abiotischen Stressfaktoren oder ein erhöhtes Stickstoffaneignungsvermögen, könnten allerdings möglichen Empfängerpflanzen nach einem vertikalen Gentransfer einen ökologisch relevanten Vorteil bieten. Außer von den Merkmalseigenschaften sind eventuelle Auswirkungen von einer Vielzahl von Ökosystemfaktoren abhängig. Ob über den vertikalen Gentransfer tatsächlich einmal relevante Auswirkungen auf die biologische Vielfalt resultieren können, ist beim derzeitigen Erkenntnisstand nicht abzuschätzen.

Ein ähnlich geringer Erkenntnisstand muss in der Frage des horizontalen Gentransfers konstatiert werden, also dem nichtsexuellen Austausch genetischer Information zwischen Populationen. Im Gegensatz zum vertikalen ist der horizontale Gentransfer (Übertragung Pflanze-Pilz und Pflanze-Virus sind experimentell nachgewiesen) ein statistisch sehr seltenes Ereignis. Im Zusammenhang dieses TA-Projektes interessiert letztendlich nur die Frage, ob von einem Gentransfer ernsthafte Gefahren für die biologische Vielfalt ausgehen könnten. Bei den meisten bislang übertragenen Genen, ob für Antibiotika-, Herbizid- oder Insektenresistenzen, kann eine solche Gefährdung nicht plausibel beschrieben werden. Konkrete Probleme können jedoch möglicherweise aus der Verwendung viraler Sequenzen zur sog. Prämunisierung von Pflanzen erwachsen. Durch die konstitutive Anwesenheit viraler Gene in großflächig angebauten Pflanzen könnte die Entstehung neuer Virustypen, z.B. mit geändertem Wirtsspektrum, gefördert werden.

Erhaltungsmaßnahmen für Biodiversität: Ex situ, in situ und on farm

Ex-Situ-Sammlungen (Genbanken) enthalten im Durchschnitt etwa 60 % der vorhandenen Variationsbreite der wichtigsten Kulturpflanzen. Bei den heimischen Kulturpflanzen, wie Ährengetreide und Zuckerrüben, befindet sich schon mehr als 90 % des genetischen Materials in deutscher Ex-situ-Erhaltung. Ex-situ-Maßnahmen sind für die reich gegliederten Kulturpflanzen und die Unkräuter vom konvergenten Entwicklungstyp unverzichtbar. Die Reproduktion des eingelagerten Materials stellt die Hauptschwierigkeit bei der Ex-situ-Erhaltung dar.

Deutschland verfügt über eine hohe Vielfalt an heimischen genetischen Ressourcen im Bereich der Zierpflanzen, der Arznei- und Gewürzpflanzen, der Futterpflanzen sowie der Gehölze einschl. Obstpflanzen. Die In-situ-Erhaltung ist die einzige Möglichkeit zur Erhaltung der großen Mehrzahl der Wildpflanzen und zur Bewahrung eines großen Artenreichtums bei gleichzeitiger Garantie einer weiteren evolutionären Entwicklung. Die Verankerung der Erhaltung der biologischen Vielfalt und des Schutzes der PGR im deutschen Naturschutz ist unzureichend. Da reine Schutzgebiete in Deutschland kaum 2 % der Gesamtfläche ausmachen, land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen dagegen rund 85 %, kommt der engen Kooperation von Naturschutz und Landwirtschaft eine hohe Bedeutung zu.

Die On-farm-Erhaltung ist eine Sonderform der In-situ-Erhaltung für do-mestizierte Pflanzen, die durch traditionelle bäuerliche und gärtnerische Bewirtschaftungsweisen geprägt ist. Die On-farm-Erhaltung erfolgt durch Anbau und Nutzung der betreffenden Arten und Sorten (z.B. Alte Sorten) in landwirtschaftlichen Betrieben. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zur konservierenden Erhaltung (z.B. in Genbanken) um eine dynamische Erhaltung, die fortgesetzte evolutionäre Prozesse ermöglicht. Während in Deutschland die Vielfalt der Ackerpflanzen on-farm stark eingeschränkt ist, bestehen bei Gräsern und Futterpflanzen, Obstgehölzen sowie im Gartenbau gute Ausgangsbedingungen für die On-farm-Erhaltung. Die On-farm-Erhaltung ist ein relativ neues Konzept, Langzeiterfahrungen liegen daher noch nicht vor.

Die Ex-situ-, On-farm- und In-situ-Erhaltung haben jeweils spezifische Vor- und Nachteile. Eine alleinige Konzentration auf einen Erhaltungsansatz kann den Anforderungen an die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen nicht gerecht werden. Eine stärkere Gewichtung von On-farm- und In-situ-Erhaltung bei PGR ist noch zu vollziehen. Für die Erhaltung der biologischen Vielfalt insgesamt ist die In-situ-Erhaltung von ganz zentraler Bedeutung. Eine Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Erhaltungsansätzen gibt es in die Deutschland nur in Einzelfällen, eine systematische Kombination der Erhaltungsmöglichkeiten erfolgt nicht.

Zur Umsetzung internationaler Verpflichtungen

Mit der Konvention über biologische Vielfalt (CBD, Rio 1992) und dem globalen Aktionsplan zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen (GPA, Leipzig 1996) ist die Bundesrepublik Deutschland wichtige internationale Verpflichtungen eingegangen. Der Erhalt der biologischen Vielfalt, insbesondere der PGR, in den Zentren der genetischen Vielfalt ist für Deutschland und die deutsche Landwirtschaft von großer Bedeutung. Außerdem bedürfen die internationalen Vereinbarungen zur biologischen Vielfalt und zu PGR einer Harmonisierung.

Das Thema Biodiversität hat einen starken Querschnittscharakter. Auf Bundesebene ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zuständig für die Konvention über biologische Vielfalt, das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für die pflanzengenetischen Ressourcen. Die Aufgabe der Erhaltung von biologischer Vielfalt und pflanzengenetischen Ressourcen betrifft darüber hinaus verschiedene Fachpolitiken bzw. Ressorts auf der Ebene von EU, Bund und Ländern, wobei Verständnis und Akzeptanz dieser neuen Aufgabe in vielen dieser Institutionen noch gering sind. Der im Rahmen der Verpflichtungen aus der Biodiversitätskonvention vorgelegte "Nationalbericht Biologische Vielfalt" der Bundesregierung unter Federführung des BMU formuliert ein strategisches Rahmenkonzept zur Erfüllung der Handlungsziele im Bereich biologische Vielfalt. Aufgabe der kommenden Jahre wird es sein, bestehende Aktivitäten und Ansätze auf den verschiedensten gesellschaftlichen und politischen Ebenen zusammenzuführen und zu einer nationalen Strategie weiterzuentwickeln und umzusetzen.

Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten

Die moderne Landwirtschaft hat durch Intensivierung, Rationalisierung, Spezialisierung und Konzentration der Produktion maßgeblich zur Verringerung der biologischen Vielfalt bei Kultur- wie bei Wildpflanzen in Deutschland beigetragen. Wirkungen auf die biologische Vielfalt sind dabei insbesondere von den Veränderungen bei Düngung, Pflanzenschutz, Fruchtfolgen und Flurbereinigung ausgegangen. Pflanzenzüchtung und moderne Pflanzensorten sind Bestandteil der veränderten landwirtschaftlichen Produktionssysteme und wirken eher indirekt auf die biologische Vielfalt. Die Ergebnisse des TA-Projektes führen zu dem Schluss, dass die Nutzung gentechnischer Verfahren in der Pflanzenzucht im Vergleich zu den konventionellen Züchtungsmethoden kurz- bis mittelfristig in Deutschland bzw. dem mitteleuropäischen Raum keinen spezifischen, signifikanten negativen Einfluss auf die biologische Vielfalt haben wird. Andererseits wird die gentechnisch unterstützte Pflanzenzüchtung auch keinen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Ausweitung der pflanzen-genetischen Ressourcen leisten. Die Wirkungsketten, die mit der Einführung neuer Sorten verbunden sind und die zum Verlust von biologischer Vielfalt und pflanzengenetischen Ressourcen führen können, sind jedoch wissenschaftlich bisher nur sehr unvollständig verstanden und sollten daher verstärkt untersucht werden.

Wenn die Zielsetzung "Erhaltung der biologischen Vielfalt" mit hoher Priorität verfolgt wird, ergibt sich daraus, dass der Handlungsbedarf insbesondere direkt bei den Erhaltungsmaßnahmen liegt. Dazu sollten die Ex-situ-, In-situ- und On-farm-Erhaltungsmaßnahmen verbessert und ausgebaut werden. Da es in Deutschland noch kein abgestimmtes Verfahren zur Erhaltung von pflanzengenetischen Ressourcen unter Einbeziehung aller Erhaltungsmaßnahmen gibt, sollte eine kombinierte Erhaltungsstrategie entwickelt werden. Dies wäre gleichzeitig ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland. Zur nationalen Umsetzung der internationalen Vereinbarungen und zur Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt (incl. PGR) ist eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen betroffenen Politikfeldern und -ebenen notwendig. In den nationalen Strategieentwicklungs- und umsetzungsprozess sollten interessierte und betroffene gesellschaftliche Gruppen einbezogen werden. Von zentraler Bedeutung für eine dauerhafte Erhaltung und Förderung der Biodiversität wäre ein flächendeckender Wandel zu einer nachhaltigen Landbewirtschaftung, die die Förderung landwirtschaftlicher Vielfalt und den Schutz wildlebender Pflanzen und Tiere als wesentliche Elemente begreift. Prinzipien des ökologischen Landbaus, die im Vergleich zur nach wie vor vorherrschenden konventionellen Landwirtschaft eine stärkere Extensivierung und Diversifizierung einschließen, könnten dabei wichtige Leitlinien liefern.

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