Gentherapie. Stand und Perspektiven naturwissenschaftlicher und medizinischer Problemlösungen bei der Entwicklung gentherapeutischer Heilmethoden

  • Projektteam:

    Jochen-J. Schmitt (Projektleitung), Leonhard Hennen, Thomas Petermann

  • Themenfeld:

    Biotechnologie und Gesundheit

  • Themeninitiative:

    Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

  • Analyseansatz:

    Monitoring

  • Starttermin:

    1993

  • Endtermin:

    1994

Das Monitoring „Gentherapie“ verfolgt seit Herbst 1993 die Entwicklung auf dem Gebiet der Gentherapie und setzt dabei seine Schwerpunkte vor allem in der Beobachtung der technischen und therapeutischen Entwicklung der Gentherapie sowie der Entwicklung wirtschaftlicher und regulatorischer Aspekte und sozialer Auswirkungen. Neben der Darstellung des aktuellen Standes werden langfristige Entwicklungstendenzen gentherapeutischer Methoden und Techniken aufgezeigt. Aus der Untersuchung der Hintergründe und Triebfedern dieser Entwicklungstendenzen sowie dem Vergleich internationaler Regulationsmodelle sollen Schlussfolgerungen hinsichtlich des Regulierungsbedarfs in Deutschland sowie hinsichtlich möglicher Regulierungsmodelle gezogen werden können.

Zur Erfüllung dieser Aufgaben verfolgt und bewertet das TAB die aktuelle Literatur, nimmt an Tagungen teil und vergibt und betreut Unteraufträge zu bestimmten Einzelthemen. Ein erster Sachstandsbericht zu „Stand und Perspektiven naturwissenschaftlicher und medizinischer Problemlösungen bei der Entwicklung gentherapeutischer Heilmethoden“ wurde im Mai 1994 den Berichterstatterinnen und Berichterstattern des Bundestagsausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung vorgelegt. Dieser Bericht hat seinen Schwerpunkt in der Beschreibung und Bewertung naturwissenschaftlich-medizinischer Probleme bei der Entwicklung gentherapeutischer Heilmethoden und verdeutlicht, dass einerseits von der Gentherapie einfache und effektive Behandlungsmethoden gegen schwere und bisher kaum therapierbare Krankheiten wie Erbkrankheiten, Krebs und AIDS erwartet werden, andererseits zum Erreichen dieser Ziele aber die bisher nur grob entwickelten Methoden der Gentherapie noch entscheidend verbessert werden müssen. Insbesondere die eingeschränkte Gewebe- und Integrationsspezifität der verwendeten Vektoren (Gen-Taxis) sowie die schlechte Regulierbarkeit der Gene, die in Körper von Patienten eingebracht werden, sind bisher nicht zufriedenstellend gelöst und können daher Gefahren für Patienten darstellen. Trotz dieser Schwierigkeiten wird von einigen Wissenschaftlern die Zukunft der Gentherapie nicht nur in der Behandlung weit verbreiteter Krankheiten gesehen, sondern vor allem in der vorsorgenden „Behandlung“ von veränderten Genen, die bei einem (noch) gesunden Menschen zu späteren Erkrankungen beitragen könnten.

Mit dem ersten Bericht zur Gentherapie hat das TAB in einer frühen Entwicklungsphase dieser neuen Technologien den Abgeordneten des Deutschen Bundestages einen Überblick über die wissenschaftliche Entwicklung und gesellschaftliche Diskussion zum Thema Gentherapie erarbeitet und damit versucht, einen sachlichen Beitrag zur Diskussion um die Chancen und Risiken gentherapeutischer Methoden zu leisten.

Seit dem ersten Sachstandsbericht hat sich die Situation der Erwartungen sowie der Stand der Erfolgsmeldungen von gentherapeutischen Heilversuchen kaum verändert. Auch die inzwischen weit über hundert verschiedenen Gentherapieversuche an Patienten konnten die Palette der seit langem bekannten Erfolgsmeldungen (nämlich die erfolgreiche Behandlung einiger an der erblichen Immunschwäche ADA erkrankten Kinder und die Reduktion des Cholesterinwertes eines an familiärer Hypercholesterinämie erkrankten Patienten) nicht entscheidend erweitern. Feststellbar ist jedoch eine immer stürmischer werdende Entwicklung der medizinischen Forschung auf dem Gebiet der Gentherapie und ein wachsendes Interesse pharmazeutischer Unternehmen. Inzwischen wurden neue Tiermodelle für gentherapeutische Forschungsversuche entwickelt, spezielle Zellinien gezüchtet und neue Vektoren (Gen-Taxis) für das Einbringen der gewünschten Gene in den Menschen konstruiert. Einer Forschergruppe in Berlin gelang der Nachweis, dass das Bakulovirus, ein Virus, das normalerweise nur Insekten befällt, zum Einschleusen von Genen in die menschliche Leber genutzt werden kann und dabei effizienter ist als alle bisher getesteten Vektoren. Angesicht der sich ausweitenden gentherapeutischen Forschung sprechen Kliniker bereits von einer neuen Ära der Medizin. Dies hat zunehmend seine Berechtigung, da gentherapeutische Eingriffe nicht mehr nur gegen Erbkrankheiten, wie die Zystische Fibrose, die Muskeldystrophie Duchenne und die Bluterkrankheit, entwickelt werden, sondern vor allem gegen verschiedene Arten von Krebs und andere nicht genetische Leiden, wie Arthritis, Rheuma, Virusinfektionen und Arteriosklerose. Auch Hersteller von Pharmaka, wie z.B. Bayer, Sandoz und Boehringer Mannheim, steigen in die Entwicklung von Gentherapien ein. In der klinischen und industriellen Erprobung stehen inzwischen nicht mehr nur therapeutische Wirkungen verschiedener Gene, sondern auch vereinfachte Methoden der Genübertragung. Eine amerikanische Firma entwickelt beispielsweise bereits eine „Gen-Kanone“, mit der Gene wie bei modernen Massenimpfungen durch die Haut in Muskelgewebe geschossen werden können.

Vor dem Hintergrund einer klinischen und wirtschaftlichen Ausweitung gentherapeutischer Anwendungen und - zumindest in den USA - vor der Tür stehenden ersten Zulassungen von gentherapeutischen Medikamenten untersucht und bewertet das TAB in seinem nächsten Bericht zum Monitoring „Gentherapie“ den Stand rechtlicher Regeln zu gentherapeutischen Heilversuchen, klinischen Prüfungen und spezifischen Medikamentenzulassungen. Dafür ist ein internationaler Vergleich rechtlicher Regeln auf dem Gebiet der Gentherapie geplant. Dieser Bericht soll Anfang 1996 vorgelegt werden.

Alle Berichte aus dem Monitoring »Gendiagnostik/Gentherapie«