Ambivalenz und Widersprüche: Die Einstellung der deutschen Bevölkerung zur Technik.
Monitoring »Technikakzeptanz und Kontroversen über Technik«

  • Projektteam:

    Dr. Leonhard Hennen (Projektleitung)

  • Themenfeld:

    Digitale Gesellschaft und Wirtschaft

  • Themeninitiative:

    Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

  • Analyseansatz:

    Monitoring

  • Starttermin:

    1996

  • Endtermin:

    1997

Aufgabe des Monitoring zum Thema "Technikakzeptanz und Kontroversen über Technik" ist die Untersuchung von Konflikten und Kontroversen um neue Technologien sowie der öffentlichen Wahrnehmung von Technik. Ziel ist es, Erkenntnisse über Ursachen und Strukturen solcher Kontroversen zu gewinnen und Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie Technikkontroversen als gesellschaftliche Lernprozesse gestaltet werden können.

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In der ersten Phase des Monitoring wurde ein Sachstandsbericht zu den Ergebnissen der Meinungs- und Medienforschung zum Thema Technikakzeptanz vorgelegt (TAB-Arbeitsbericht Nr. 24), und es wurden erste, auf der gegenwärtigen sozialwissenschaftlichen Forschung aufbauende Überlegungen zu Ursachen und Strukturen von Technikkontroversen angestellt (TAB-Diskussionspapier Nr. 6). 1997 wurde eine repräsentative Bevölkerungsumfrage in Auftrag gegeben, die die im ersten Sachstandsbericht wiedergegebenen Ergebnisse der Meinungsforschung zur Technikakzeptanz überprüfen sowie Aufschluss über weitere Aspekte der Technikakzeptanz, die in der Meinungsforschung bisher weniger Berücksichtigung gefunden hatten, geben sollte. Mit dem Bericht zur Umfrage (TAB-Arbeitsbericht Nr. 54) soll das Monitoring-Vorhaben vorläufig abgeschlossen werden. Die weiteren im Rahmen des Monitoring "Technikakzeptanz und Technikkontroversen" geplanten Arbeiten zur Frage der Gestaltung von Technikkontroversen sollen im Arbeitsbereich Konzepte und Methoden weiterverfolgt werden. Gedacht ist an die Vergabe einer Überblicksstudie zu sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Gestaltung von Technikkontroversen sowie einer Studie zur Frage, welche Rolle Parlamente im Zusammenhang von Technikkontroversen spielen bzw. spielen können.

Die im Februar/März 1997 durchgeführte repräsentativen Umfrage zur Technikeinstellung der deutschen Bevölkerung bestätigt im Wesentlichen die Ergebnisse der im Rahmen des Monitoring bereits durchgeführten vergleichenden Untersuchung vorliegender Umfragen zur "Technikakzeptanz". Technikfeindlichkeit ist in der deutschen Bevölkerung kein sehr weit verbreitetes Phänomen. Die Einstellung zu modernen Technologien ist differenziert je nach Technologiefeld und unterschiedlichen Anwendungen von Technologien.

Betrachtet man die Ergebnisse der Umfrage im Vergleich zu früheren "Messungen", so lässt sich, trotz einiger Widersprüche zwischen einzelnen Indikatoren, eine leicht negative Entwicklung der insgesamt weiterhin überwiegend positiven Technikeinstellung in den letzten Jahren feststellen. Diese Entwicklung wird auch durch andere Umfragen aus den letzten Jahren bestätigt. Ursachen für diese Entwicklung sind auch durch aufwendige statistische Analysen von Umfrageergebnissen natürlich nicht letztlich aufzuklären. Die in der Umfrage aufscheinende Skepsis bezüglich der Arbeitsmarktwirkungen neuer Technologien und die Bedeutung der wirtschaftliche Aspekte des technischen Wandels betreffenden Variablen für die persönliche Einstellung zur Technik können allerdings einen Hinweis auf eine Erklärung geben. Es scheint plausibel, dass die wirtschaftlichen Probleme der letzten Jahre insgesamt zu pessimistischeren Zukunftserwartungen führen, die auch die Einstellung zur Technik allgemein betreffen. Zwar wird von einer deutlichen Mehrheit der Befragten die Bedeutung moderner Technologien für die Stellung Deutschlands im internationalen Wettbewerb hoch eingeschätzt, davon unabhängig sind aber die Erwartungen, die sich an den technischen Fortschritt bezüglich seines Potentials zur Lösung wirtschaftlicher Probleme knüpfen, durchaus eher zurückhaltend.

Der in der Umfrage aufscheinende weitverbreitete Wunsch nach mehr Einflussmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern auf technologiepolitische Entscheidungen entspricht der international zu verzeichnenden Tendenz, eine Lösung von Technologiekonflikten durch Verfahren der Bürgerbeteiligung anzustreben. In allen westlichen Demokratien manifestieren sich Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger auf mehr Beteiligung in technologiepolitischen Fragen schon seit geraumer Zeit in öffentlichen Kontroversen über neue Technologien und in verschiedenen Formen von Protest gegen Entscheidungen von der lokalen bis hin zur nationalen Ebene. Vonseiten der Politik und der Verwaltung wird hierauf mit dem Angebot von Verfahren der Bürgerbeteiligung reagiert - vor allem auch vor dem Hintergrund der Erfahrung, dass bessere Information oder "Aufklärung" der Bevölkerung nicht zu einem neuen "technologiepolitischen Konsens" bzw. zu tragfähigen Kompromissen zwischen Betroffenen, Anwendern und politischen Entscheidungsinstanzen führt (Bijker et al. 1995). Wie sich Formen der Partizipation politisch-institutionell umsetzen lassen, d.h. vor allem, welcher Stellenwert der Bürgerbeteiligung im System der repräsentativen Demokratie zukommen kann, ist trotz eines breiten Spektrums von bereits erprobten Beteiligungsverfahren noch eine weitgehend ungeklärte Frage. Es scheint aber angesichts wachsender Ansprüche auf Mitsprache kaum vermeidbar, Verfahren zu entwickeln, die gewährleisten, dass aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger technologiepolitische Entscheidungen nicht länger als "take-it-or-leave-it-choice" - als Entscheidungen, die man nur hinnehmen oder ablehnen, nicht aber mitgestalten kann - wahrgenommen werden müssen. Weniger in einem Mangel an Information oder Wissen aufseiten der Bevölkerung, sondern eher in dem Umstand, dass die Laien sich meist bei neuen Technologien vor die Alternative gestellt sehen, zuzustimmen oder eben Protest anzumelden, nicht aber Entscheidungen, die sie betreffen, mitgestalten zu können, scheint die grundsätzliche Problematik und demokratische Herausforderung von Technikkontroversen und -konflikten zu liegen (Bijker et al. 1995).

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Umfrage einmal mehr, wie problematisch es ist, aus einzelnen Indikatoren und den entsprechenden Antwortverteilungen auf "die" Einstellung der Bevölkerung zu neuen Technologien zu schließen. Dem Umstand, dass auch bei vermeintlich das Gleiche messenden Fragen (wie beispielsweise die Einstellung zur Technik allgemein) die Frageformulierung (Frage nach der persönlichen Einstellung oder nach der Meinung zu positiven oder negativen Folgen des technischen Wandels) zu recht unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, muss Rechnung getragen werden. Standardisierte Fragebögen sollten - auch wenn dies den Aufwand der Auswertung erhöht - ergänzt werden durch offene Fragen, die den Befragten die Möglichkeit eröffnen, Auskunft beispielsweise darüber zu geben, welche Technologien, welche Problembereiche sie - gefragt nach ihrer Einstellung zu Technik schlechthin - assoziieren. Auf dieser Basis könnte man durch Umfragen eventuell zu einem tieferen Verständnis dessen gelangen, was die öffentliche Meinung über neue Technologien prägt und beschäftigt. Darüber hinaus wäre daran zu denken, standardisierte Umfragen stärker als bisher durch qualitative Untersuchungen - etwa durch Auswertung von Gruppendiskussionen mit betroffenen bzw. interessierten Laien zu technologiepolitischen Fragen - zu ergänzen.

Publikationen


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