Wettlauf in eine neue Weltraumära
- Projektteam:
Sonja Kind (Projektleitung), Marc Bovenschulte, Jan-Peter Ferdinand, Tobias Jetzke, Lukas Nögel
- Themenfeld:
- Themeninitiative:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
- Analyseansatz:
TA-Kurzstudie
- Starttermin:
2018
- Endtermin:
2020
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Gegenstand und Ziel der Untersuchung
New Space steht für eine Kommerzialisierung der Raumfahrt, die zunehmend von Unternehmen, darunter auch immer mehr Start-ups, geprägt wird. Kommerzielle Akteure sorgen mit der Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle für eine Innovationsdynamik in der Raumfahrt. Auch wenn New Space auf völlig neue Entwicklungen hindeutet, lässt sich keine klare Grenze zwischen »Old Space« und »New Space« ziehen. Langjährig etablierte Unternehmen sind genauso wie Start-ups in den Bereichen aktiv, die New Space zugeordnet werden. New-Space-Unternehmen agieren einerseits in den angestammten Geschäftsfeldern der traditionellen Raumfahrtindustrie, z. B. Kommunikation, Navigation und Erdbeobachtung, erschließen andererseits aber völlig neue Tätigkeitsfelder, wie etwa die private bemannte Raumfahrt, Weltraumservices inklusive der Entsorgung von Weltraumschrott, Weltraumbergbau und -produktion, oder streben gar die Erschließung neuer Weltraumhabitate an. Angetrieben werden die Entwicklungen durch Innovationen vor allem in den Feldern Miniaturisierung, 3-D-Druck, Robotik und künstliche Intelligenz (KI), die u. a. in stetig sinkenden Kosten für den Raumtransport resultieren und neue Anwendungen ermöglichen.
Ziel des TAB-Projekts war es, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Perspektiven der deutschen Raumfahrtforschung und -industrie zu erarbeiten und dabei insbesondere neue Entwicklungs- und Gründungsdynamiken zu berücksichtigen. New-Space-Aktivitäten in Deutschland werden im Vergleich mit dem internationalen Umfeld dargestellt. Neben nationalen Strategien zur Förderung der Raumfahrt und der Positionierung der großen Raumfahrtorganisationen bilden die Ambitionen neuer privatwirtschaftlicher Akteure einen besonderen Fokus. In Ergänzung zur Auswertung verfügbarer Quellen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik wurden Expertinnen und Experten über Interviews und Workshops in das Projekt einbezogen.
Zentrale Ergebnisse
In der Gesamtschau zeigt sich, dass die deutsche Raumfahrt- und New-Space-Akteurslandschaft mit ihrer leistungsfähigen Raumfahrtforschung und -entwicklung vielfältig und im Bereich technischer Komponenten und deren Fertigung international gut anschlussfähig ist. Auch in Deutschland sind Gründungen neuer Unternehmen zu verzeichnen, und speziell für die frühen Gründungsphasen sind zahlreiche Fördermaßnahmen verfügbar. Da der Raumfahrtmarkt substanziell wächst, verspricht er auch für deutsche Unternehmen lukrative Marktchancen.
Allerdings stehen den potenziell vielversprechenden Entwicklungsmöglichkeiten diverse Innovationsbarrieren gegenüber, wie ein Mangel an Risikokapital – besonders in der Wachstumsphase von Start-ups –, ein für kleinere Akteure tendenziell schwer zugängliches Fördersystem sowie Rechtsunsicherheiten. Insgesamt wird in Deutschland im internationalen Vergleich eher wenig in die Raumfahrt investiert, was im Wettbewerb zu einer schlechteren Ausgangsposition führt. Eine entscheidende und zu überwindende Hürde besteht ferner in der Entwicklung von auf Daten und Technologien aus der Raumfahrt basierenden Geschäftsmodellen in andere Branchen, damit sich die vielversprechenden Potenziale für Anwendungen – insbesondere im Downstreamsegment – erschließen können.
Es ergeben sich im Wesentlichen drei Handlungsfelder in den Bereichen Rechtssicherheit, innovationsbefördernde Maßnahmen sowie Unterstützung von New Space als innovative Industrie.
Die Anpassung des bisherigen Rechtsrahmens, d. h. des bisher geltenden Weltraumrechts, erfolgt derzeit durch die Ausgestaltung eines nationalen Weltraumgesetzes unter Berücksichtigung von Lizenzierungsverfahren, Haftung, Zugang und Nutzung von Weltraumressourcen sowie Umgang mit Weltraumschrott. Mit Blick auf die ständig wachsenden Datenmengen, die durch Erdbeobachtungsmissionen von einer Vielzahl von Akteuren erzeugt werden, stellt sich die Frage, wie durch internationale Abkommen der Datenschutz gewährleistet und die unrechtmäßige Auswertung wettbewerbsrelevanter Daten, insbesondere Unternehmen betreffend, verhindert werden kann.
Mit Blick auf innovationsfördernde Maßnahmen wäre vonseiten der Politik zu prüfen, ob für die Verbesserung des Zugangs zu Finanzierung speziell auf New Space ausgerichtete Finanzierungsinstrumente, wie z. B. ein bei der KfW angesiedelter deutscher Weltrauminnovationsfonds, wünschenswert ist oder ob die Wachstumsunterstützung von Hochtechnologie-Start-ups und innovativen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) insgesamt weiterentwickelt werden soll. Auch hinsichtlich des Fachkräftemangels könnte geprüft werden, ob es raumfahrtspezifischere Programme für die Gewinnung von Talenten und zur Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses bedarf oder ob diese Fragestellung vorzugsweise allgemein im Rahmen von innovationsunterstützenden Maßnahmen adressiert werden soll. Ein weiterer Aspekt ist die stärkere Einbindung von KMU. Deutsche KMU in der Raumfahrt werden ohne eine zielgruppenspezifische Ausrichtung der Förderinstrumente auch weiterhin primär eher indirekt von der Raumfahrtförderung profitieren, indem sie in Projekten als Unterauftragnehmer oder Zulieferer größerer Akteure beteiligt werden. Denkbar wäre eine stärkere Ausrichtung zukünftiger Förderprogramme auf KMU, etwa durch eine Quote für Start-ups und KMU oder ausschließlich auf Start-ups bzw. KMU ausgerichtete Unterstützungsmaßnahmen, um die Innovationskraft der Raumfahrtindustrie noch besser auszuschöpfen.
Hinsichtlich der im internationalen Vergleich relativ geringen staatlichen Mittel wäre zu überprüfen, ob die investierte Summe angesichts des zu erwartenden wirtschaftlichen Potenzials von raumfahrtbezogenen Produkten und Dienstleistungen (substanziell) erhöht werden sollte. Damit deutsche Unternehmen auf dem wachsenden Raumfahrtmarkt wettbewerbsfähig bleiben können, sind Maßnahmen zu entwickeln, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit gesichert bzw. gesteigert werden kann. Damit die erheblichen wirtschaftlichen Chancen für eine Vielzahl an Branchen – insbesondere die Nutzung von Produkten und Dienstleistungen des Downstreamsegments in Nichtraumfahrtbranchen – genutzt werden können, ist die Raumfahrtindustrie gefordert, geeignete Anwendungen und Geschäftsmodelle für die Nichtraumfahrtindustrien zu entwickeln und anzubieten. Dazu böte es sich an, flankierend zur zukünftigen Raumfahrtstrategie die Nutzung von Weltraumtechnologien stärker auch in der Industriestrategie der Bundesregierung und in anderen strategischen Maßnahmen zu verankern.
Publikationen
Kind, S.; Jetzke, T.; Nögel, L.; Bovenschulte, M.; Ferdinand, J.-P.
2020. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000130986
Kind, S.; Jetzke, T.; Nögel, L.; Bovenschulte, M.; Ferdinand, J.-P.
2020. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)
Kind, S.; Jetzke, T.; Nögel, L.; Bovenschulte, M.; Ferdinand, J.-P.
2020. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)