Perspektiven eines CO2-und emissionsarmen Verkehrs.
Kraftstoffe und Antriebe im Überblick
- Projektteam:
- Themenfeld:
- Themeninitiative:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
- Analyseansatz:
TA-Projekt
- Starttermin:
2004
- Endtermin:
2006
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Gegenstand und Ziel der Untersuchung
Mit dieser Fragestellung hat sich in jüngster Zeit eine außerordentlich große Anzahl von Forschungsvorhaben, Pilotprojekten und anderen Aktivitäten beschäftigt, die zu den unterschiedlichsten Ergebnissen gekommen sind. Dieses Themenfeld ist daher aufgrund der Vielzahl und Heterogenität der aktuellen Projekte enorm unübersichtlich. Auf Anregung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hatte dieses TAB-Projekt daher die Zielsetzung, einen aktuellen, umfassenden und strukturierten Überblick über den gegenwärtigen Stand des Wissens und der Diskussion auf der Basis einer Analyse der relevanten verfügbaren Publikationen zu geben.
Um die CO2- und Schadstoffminderungspotenziale von Einzeltechnologien einschätzen zu können, wurden zunächst für die Bereiche Antriebe und Kraftstoffe getrennt die relevanten Studien gesichtet und strukturiert sowie synoptisch dargestellt. Für eine Analyse der technologischen Möglichkeiten für eine nachhaltige Mobilität im Sinne von Klimaschutz und Ressourcenschonung insgesamt wurden anschließend die Bereiche zu einer Gesamtbetrachtung »Well-to-Wheels« (vom Bohrloch bis zu den Rädern) integriert. Auch die mengenmäßige Verfügbarkeit von alternativen Kraftstoffen sowie Infrastruktur- und Kostenaspekte wurden dabei thematisiert.
Da der Straßenverkehr aufgrund seines Anteils an der Verkehrsleistung die größten Potenziale zur Reduzierung der verursachten Treibhausgase aufweist, steht er im Zentrum der Aufmerksamkeit jeder verkehrlichen Technologiediskussion. Auch das TAB-Projekt folgt weitgehend dieser Betrachtungsweise.
Ergebnisse
Antriebstechnologien
Trotz ihres hohen Entwicklungsstands weisen auch die konventionellen Antriebe – vor allem Otto- und Dieselmotoren – noch ein erhebliches Potenzial zur Weiterentwicklung auf. Darüber hinausgehende Potenziale werden von fortgeschritteneren Technologien wie z.B. Hybrid- und Brennstoffzellenantrieben erwartet.
Konventionelle Antriebe
Die technischen Möglichkeiten, den spezifischen Kraftstoffverbrauch von konventionellen Ottomotoren zu senken, sind sehr vielfältig. Ottomotoren weisen unter Teillast einen relativ schlechten Wirkungsgrad auf. Viele der Verbesserungen zielen daher darauf ab, den Teillastbetrieb zu optimieren oder aber zu vermeiden. Kurz- bis mittelfristig einsatzfähige Technologien sind z.B. »downsizing« mit Aufladung (Turbolader), Direkteinspritzung des Kraftstoffs sowie variable Ventilsteuerung, Zylinderabschaltung und Verdichtung. Jede dieser technischen Maßnahmen hat das Potenzial, zur Kraftstoffreduktion mit einigen wenigen bis zu gut 15 % beizutragen (je nach Fahrzeugart und -größe).
Der Dieselmotor wurde bereits in der Vergangenheit auf einen günstigen Verbrauch hin optimiert und hat in dieser Hinsicht einen relativ hohen Entwicklungsstand erreicht. Mehr noch als bei Ottomotoren existiert bei der Auslegung von Dieselmotoren ein Zielkonflikt zwischen der Steigerung der Energieeffizienz und den zunehmenden gesetzlichen Anforderungen zur Emissionsreduktion der Luftschadstoffe Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe, Stickoxide und Partikel.
Eine neuere Entwicklung stellt der Versuch dar, die Vorteile von Otto- und Dieselmotor in einem Aggregat zu vereinen. Diese Technik wird homogenisierte Verbrennung (Homogeneous Compression Combustion Ignition, HCCI) genannt. Das Ziel ist hier, ein homogenes Luft-Kraftstoff-Gemisch an mehreren Stellen im Zylinder selbständig und gleichzeitig ohne Flammenfront und Druckwelle im Zylinder zu entzünden und zu verbrennen. Die Entwicklung dieser im Hinblick auf Effizienzvorteile und Emissionsminderung vielversprechenden Technologie befindet sich gegenwärtig im Stadium von Prüfstandversuchen.
Hybridantrieb
Hybridfahrzeuge kombinieren mehrere Energiewandler und Speichersysteme im Fahrzeug, meist ein herkömmlicher Verbrennungsmotor mit Kraftstofftank zusammen mit einem Elektromotor mit Batterie. Die Verbrauchsminderung gegenüber konventionellen Fahrzeugen auf gleichem Entwicklungsstand resultiert im Wesentlichen daraus, dass zum einen Bremsenergie zurückgewonnen werden kann und zum anderen der Verbrennungsmotor kleiner ausgelegt und öfter in Betriebsbereichen mit höherer Effizienz betrieben werden kann. Die Schwachstellen des Hybridkonzepts sind das höhere Gewicht und die höhere Komplexität durch die größere Anzahl an Komponenten. Damit resultiert bei Hybridfahrzeugen eine starke Abhängigkeit der Effizienz vom Fahrprofil. Zwar ergeben sich im Stadtverkehr vergleichsweise hohe Einsparungen. Außerorts sind die Effekte jedoch deutlich kleiner; ggf. können bei hohen Geschwindigkeiten sogar Mehrverbräuche durch das Zusatzgewicht auftreten. Dennoch ist klar, dass das Hybridkonzept bereits heute zur Emissionsminderung beitragen kann und noch erhebliches Entwicklungspotenzial besitzt. Ein wichtiger zusätzlicher Vorteil aller Hybride besteht in der Möglichkeit, vollständig emissionsfrei zu fahren (limitiert durch die Batteriekapazität), etwa in stark belasteten Gebieten wie z.B. im innerstädtischen Bereich.
Brennstoffzellenantrieb
Brennstoffzellenfahrzeuge gelten als zukunftsweisendes Fahrzeugkonzept. Sie befinden sich in der Entwicklungsphase; Serienfahrzeuge existieren bislang nicht. Als Brennstoff eignen sich Reinwasserstoff (gespeichert als Flüssig- oder Druckwasserstoff), Methanol sowie beim sog. »on-board reforming« (Erzeugung eines wasserstoffhaltigen Brenngases an Bord) auch z.B. Kohlenwasserstoffe. Unter Effizienzaspekten ist Wasserstoff der Brennstoff der Wahl. Problematisch sind allerdings die Speicherung an Bord und die fehlende H2-Infrastruktur. Wasserstoffspeicher sind deutlich schwerer und um ein Vielfaches teurer als Tanks für Methanol oder Benzin. Entwicklungsbedarf besteht bei allen Komponenten, vor allem unter dem Aspekt der Kostensenkung. FuE von Brennstoffzellen findet zum großen Teil im Bereich der Materialwissenschaften (z.B. neue Membranmaterialien für Polymer-Elektrolyt-Brennstoffzellen) statt. Eine nennenswerte Marktdurchdringung von Brennstoffzellenfahrzeugen wird – nachdem die Euphorie der 1990er Jahre deutlich abgekühlt ist – gegenwärtig frühestens in 15 bis 20 Jahren erwartet.
Alternative Kraftstoffe
Bei den alternativen Kraftstoffen werden derzeit international und national schwerpunktmäßig etwa zehn verschiedene alternative Kraftstoffe mit einer Vielzahl möglicher Erzeugungswege in Kombination mit verschiedenen Antriebstechnologien (wie optimierte konventionelle Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellen) bezüglich ihrer potenziellen Beiträge zu einer nachhaltigeren Mobilität diskutiert. Im Fokus der Diskussion liegen neben den konventionellen marktgängigen Biokraftstoffen (Biodiesel, Ethanol aus Zucker/Stärke sowie Biogas) vor allem die Biokraftstoffe, die derzeit in der Entwicklungsphase sind (z.B. Biomass-to-Liquid(BtL)-Kraftstoffe, Ethanol aus Holz, Stroh) sowie Wasserstoff.
Konventionelle Biokraftstoffe
Für die konventionellen Biokraftstoffe Biodiesel (in Deutschland vorwiegend aus Raps hergestellt), Bioethanol aus Getreide, Mais und Zuckerrüben sowie Biogas sind die Technologien zur Herstellung nahezu ausgereift. Optimierungspotenziale bieten vor allem noch die Reduzierung des Düngemitteleinsatzes in der landwirtschaftlichen Produktion der Ausgangsstoffe, die Ertragssteigerung je Hektar und die Verwertung der bei der Kraftstoffherstellung anfallenden Koppelprodukte. Grundsätzlich gilt, dass die Treibhausgasbilanzen von Rapsmethylester und Ethanol aus Weizen oder Zuckerrübe im Vergleich mit den Referenzkraftstoffen Diesel und Benzin deutlich günstiger ausfallen, vor allem wenn die Koppelprodukte nutzbar sind. Die Bilanz für Biogas aus Reststoffen ist trotz der eher dürftigen Datenlage als sehr günstig einzuschätzen. Die Herstellung von Biodiesel und Ethanol ist im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen deutlich kostenintensiver und auch 2010 voraussichtlich nicht unter 20 bis 40 Euro/GJ zu realisieren. Biogas aus Reststoffen ist mit etwa 15 bis 34 Euro/GJ vergleichsweise günstiger. Bei Energiepflanzen scheinen 2-Kulturen-Systeme (Feuchtgutlinien) besonders günstig abzuschneiden.
Biokraftstoffe in der Entwicklung
Perspektivisch interessant sind vor allem Bioethanol aus holzartigen Ausgangsstoffen (Zellulose) und synthetische Kraftstoffe aus der Biomassevergasung (Biomass-to-Liquid, BtL). Zwar ist in den nächsten zehn bis 15 Jahren nicht damit zu rechnen, dass es zu einer nennenswerten Durchdringung des Kraftstoffmarktes mit diesen synthetischen Kraftstoffen kommt. Sie bieten aber aufgrund des im Vergleich zu konventionellen Biokraftstoffen unspezifischen Ausgangsmaterials und der Möglichkeit, Pflanzen als Ganzes zu nutzen, erhebliche Potenziale für die Zukunft. Demonstrationsvorhaben zeigen, dass weiterer verfahrenstechnischer Entwicklungsbedarf besteht, bevor dieser Weg zur Kraftstoffbereitstellung wirtschaftlich beschritten werden kann. Zu beachten ist, dass für die Rohstoffbereitstellung eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Biomasselogistik aufgebaut werden muss. Es ist zu erwarten, dass sowohl der Energieverbrauch als auch die Treibhausgasemissionen deutlich unter die der konventionellen Biokraftstoffe gesenkt werden können. Die verfügbaren Kostendaten variieren erheblich, sodass kein einheitliches Bild abzuleiten ist. Es wird aber allgemein erwartet, dass die Kosten zukünftig deutlich sinken werden. Verschiedentlich werden um die 9 Euro/GJ im Jahr 2010 für möglich gehalten.
Wasserstoff
Wasserstoff als Kraftstoff kann auf der Basis nahezu aller Primärenergieträger hergestellt werden. Die benötigten Technologien sind in den meisten Fällen bereits entwickelt bzw. kommerziell verfügbar. Die Herstellung kann sowohl in zentralen Großanlagen als auch dezentral an den Tankstellen erfolgen. Die Treibhausgasbilanz von Wasserstoff hängt entscheidend von der eingesetzten Primärenergie ab. Potenziale für CO2- und emissionsarme Kraftstoffpfade zur Herstellung von Wasserstoff basieren vor allem auf erneuerbaren Energieträgern. Die (eventuell großen) Treibhausgasreduktionspotenziale bei der Dampfreformierung von Erdgas und Vergasung von Kohle hängen von der technischen und wirtschaftlichen Realisierbarkeit der CO2-Abscheidung und -Ablagerung ab. Generell hat die Herstellung von tiefkalt verflüssigtem Wasserstoff, die vor allem durch ökonomische Erwägungen gefördert wird, gegenüber der komprimierten Form unter Klimagesichtspunkten Nachteile durch die hohen energetischen Aufwendungen bei der Verflüssigung. Trotz aller Unsicherheiten weisen die nach dem heutigen Stand des Wissens verfügbaren Daten höhere Kosten im Vergleich zu vielen Biokraftstoffen aus. Für die Nutzung von Wasserstoff als Kraftstoff ist eine wichtige Voraussetzung für die Diffusion entsprechender Fahrzeuge ein flächendeckendes Netz von Wasserstofftankstellen. Für die Lösung des Problems, ob zuerst das Tankstellenangebot geschaffen werden muss, um die Nachfrage nach Wasserstoff anzukurbeln, oder ob die Nachfrage nach Wasserstoff das Angebot an Tankstellen induzieren kann, gibt es aus heutiger Sicht keinen Königsweg. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass in der Pilot- und Einführungsphase Flottenbetreibern eine Schlüsselrolle zukommen könnte.
Mengenpotenzial von Biokraftstoffen, Importe
Neben der technologischen Einsatzreife, den spezifischen Emissionsminderungspotenzialen und den Kosten von Biokraftstoffen ist die Frage, welche Menge von Biokraftstoffen auf der vorhandenen Fläche hergestellt werden kann, zur Gesamtbewertung ihrer Relevanz für die Substitution fossiler Kraftstoffe und das Erreichen von Klimaschutzzielen von maßgeblicher Bedeutung. Ausgehend von Grundannahmen zum landwirtschaftlichen Ertrag und Wirkungsgraden der einzelnen Herstellungsverfahren einschließlich Steigerungen aufgrund von Lernkurveneffekten wurden in einigen Szenarien die Flächenbedarfe berechnet, die sich bei der Substitution einer bestimmten Menge fossiler Kraftstoffe ergeben. Ein Ergebnis ist, dass der Flächenbedarf, um das vorläufige EU-Ziel von 10 % Biokraftstoffanteil im Jahr 2020 zu realisieren, beim Einsatz von RME und Bioethanol auf Weizenbasis bei 1,6 Mio. ha läge. Dies entspricht in etwa der unter umweltpolitischen Restriktionen mittelfristig maximal verfügbaren Anbaufläche für Energiepflanzen in Deutschland.
Aus diesen Zahlen wird klar, dass bei anspruchsvollen Mengenzielen der resultierende Flächenbedarf beträchtlich ist. Somit erscheint die Option interessant, neben den heimischen Potenzialen zur Bereitstellung von Biomasse für die energetische Nutzung auch exogene Potenziale durch Importe von Bioenergieträgern (Brenn- und Kraftstoffe) zu nutzen. In Europa liegen beispielsweise erhebliche und bislang ungenutzte Potenziale in Polen und Rumänien. Noch wesentlich umfangreicher erscheinen die Importpotenziale aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Unter Nachhaltigkeitsaspekten ist dabei wesentlich, dass mögliche Exporte von Biokraftstoffen nicht zu Nachteilen für die Umwelt (z.B. Urwaldrodung, Umwandlung von extensiven Flächen zu Bioenergieplantagen) oder sozialen Problemen (z.B. Enteignung oder Vertreibung) führen und die Nahrungsmittelsicherheit nicht nachteilig beeinflusst wird. Die Entwicklung von verbindlichen Kriterien für die »Nachhaltigkeit« von Biokraftstoffexporten aus Entwicklungsländern wäre daher wünschenswert.
Publikationen
Grünwald, R.
2006. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000137987
Grünwald, R.
2006. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000102241
Grünwald, R.
2006. TAB-Brief, (29), 34–35