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Resilienz-Radar

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Hintergrund und Zielsetzung

Wir leben in einer Zeit zahlreicher Krisen und Umbrüche. Die geopolitische Weltlage, mit einem Krieg auch in Europa, der fortschreitende Klimawandel, aber auch bahnbrechende technische Innovationen wie die generative KI, um nur einige aktuelle Beispiele zu nennen, führen zu neuen Herausforderungen und veränderten Risikolagen für Politik und Gesellschaft.  Das Resilienz-Radar soll als Baustein unserer erweiterten Foresight-Aktivitäten angesichts dieser Herausforderungen dazu beitragen, wichtige Infrastruktursysteme zukunftsfähig und resilient zu gestalten und als kontinuierliche Beratungsleistung eine zukunftsorientierte Politikgestaltung unterstützen.

Dem Resilienz-Radar liegt eine explizit soziotechnische Definition von kritischen Infrastruktursystemen zugrunde. Wir verstehen darunter Einrichtungen, Anlagen, Strukturen und Systeme, die für das reibungslose Funktionieren der Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. Sie umfassen nicht nur physische und technologische Komponenten, sondern auch ökonomische, soziale, politische, organisatorische und kulturelle Elemente, die mit der Entwicklung, Nutzung und Wartung von Infrastruktur in Verbindung stehen.

Dieses Verständnis ist auch von entscheidender Bedeutung für die Resilienzgestaltung. Um Resilienz zu erreichen, ist es erforderlich, die soziotechnischen Rahmenbedingungen, aber auch Pfadabhängigkeiten ganzheitlich zu betrachten.

Mit dem Resilienz-Radar, dessen Ergebnisse jährlich im Foresight-Report veröffentlicht werden, werden kontinuierlich Trends, systemische Risiken und etwaige Gefährdungslagen für ausgewählte kritische Infrastruktursysteme analysiert. Darüber hinaus werden Fokusthemen ermittelt, die sich für den erweiterten Resilienz-Check eignen. 

Ausgewählte Infrastrukturysteme

2023/2024 2024/2025 2025/2026 2026/2027 2027/2028
Energie Bildung und Forschung Abfall Informationstechnik und Telekommunikation Soziale Dienste
Landwirtschaft und Ernährung Gesundheit Finanz- und Versicherungswesen Medien und Kultur Weltraum
Verkehr und Mobilität Wasser Staat und Verwaltung Ökosysteme/ grüne Infrastruktur Zivil- und Katastrophenschutz

Stand: Mai 2024 (Falls aktuelle Entwicklungen es erfordern, können in Abstimmung mit der Berichterstattergruppe TA Aufteilung und Reihenfolge der Infrastrukursysteme noch angepasst werden.)

Methodisches Vorgehen

Mit dem Resilienz-Radar werden Trends identifiziert, die systemische Risiken und Herausforderungen für soziotechnische Infrastruktursysteme mit sich bringen. Auf Grundlage der Trends werden für jedes kritische Infrastruktursystem die Folgen systemischer Risiken und etwaige Gefährdungslagen abgeschätzt. Ausgehend von Themen, die in Gesellschaft, Wissenschaft und Politik aktiv diskutiert werden, werden Entwicklungen erfasst, die sich auf die Funktionsfähigkeit und Resilienz der jeweiligen kritischen Dienstleistungen und Infrastrukturen auswirken können.

Die Umsetzung des Resilienz-Radars erfolgt in drei aufeinander aufbauenden Arbeitsphasen. In allen Phasen wird die Expertise interner und externer Expert/innen einbezogen. Die Resultate aller drei Arbeitsphasen werden abschließend integrativ analysiert und jährlich in einem Foresight-Report  zusammengefasst.

In der ersten Phase werden vor allem Foresight- und TA-Studien im Umfeld der ausgewählten Infrastruktursysteme erfasst und analysiert. Hierbei werden insbesondere mittel- bis langfristige Trends identifiziert, die nachweisbare Auswirkungen auf die Infrastruktursysteme haben. Ergänzend werden unter Berücksichtigung der Ergebnisse des TA-Projekts „Krisenradar – Resilienz von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft durch Krisenvorhersage stärken“ relevante wissenschaftliche Quellen zur Analyse von systemischen Risiken ausgewertet. Diese können eine Gefährdung von Gesellschaften oder Wirtschaftssystemen als Ganzes zur Folge haben und beinhalten damit grundsätzlich auch die Gefahr, dass Funktionsfähigkeit und Stabilität von Infrastruktursystemen erheblich beeinträchtigt werden, wenn sich diese Risiken verwirklichen.

Die Identifikation aufkommender soziotechnischer Trends erfolgt zusätzlich durch den Einsatz von Software- und KI-Technologien. Dafür ist ein Quellenpool aufgebaut worden, der einschlägige Datenbanken (z.B. EPTA, ORBIS, Knowledge4Policy, OpenTA), Publikationen (Foresightstudien, Trendberichte, Konferenzsammelbände und Preprints), wissenschaftliche Plattformen (z.B. ScienceDaily) sowie journalistischen Hintergrundanalysen (Tagesspiegel Background, Heise online) umfasst. Die neuesten Veröffentlichungen werden über eine zentrale Plattform semiautomatisch und kontinuierlich abgerufen. Das Team sichtet die Beiträge regelmäßig und bewertet deren Relevanz für die ausgewählten Infrastruktursysteme. Ergänzend wird nach Innovationen mithilfe einer Medienanalysesoftware mit Zugang zu 150 Mio. Onlinequellen gesucht. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Tages- und Wochenzeitungen sowie Onlinenews.

In der zweiten Phase werden Interviews mit ausgewählten Expert/innen geführt, um deren Fachwissen, Einschätzungen und Meinungen zu wesentlichen Trends und Herausforderungen sowie zu Wirkungszusammenhängen im Kontext systemischer Risiken für die Infrastruktursysteme zu erfassen. Für die Interviews wird ein einheitlicher Leitfaden und Fragenkatalog erstellt. Auf den Ergebnissen der Interviews aufbauend werden moderierte infrastrukturspezifische Workshops mit ausgewählten Expert/innen durchgeführt. Dabei werden erste Arbeitsergebnisse zum Systembild des jeweiligen Infrastruktursystems sowie zu relevanten Trends und möglichen Folgen von systemischen Risiken vorgestellt und diskutiert. Abschließend erfolgt eine Einschätzung hinsichtlich politischer Relevanz und möglicher Vertiefungsthemen. Die Antworten der Befragten sowie weitere Kommentare, Hinweise und detaillierte Ausführungen werden während der Interviews und Workshops protokolliert und die Ergebnisse anschließend qualitativ ausgewertet.

In der dritten Phase wird für jedes der Infrastruktursysteme eine explorative Onlineerhebung unter Einbeziehung des Expertenpanels mithilfe der Software SoSci Survey durchgeführt. Aufgabe ist es, auf Grundlage der vorangegangenen Schritte Trends auszuwählen und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Verletzlichkeit und Resilienz des genannten Infrastruktursystems zu bewerten. Außerdem werden die Expert/innen dazu befragt, welche Trends in den nächsten 10 Jahren zu einer erhöhten Resilienz der Infrastruktursysteme beitragen könnten und welche Trends die Transformation der Infrastruktursysteme in Richtung Klimaneutralität besonders hemmen. Darüber hinaus sollen sie einschätzen, wie derzeit der Grad der Robustheit des jeweiligen Infrastruktursystems in Bezug auf prioritäre systemische Risiken eingeschätzt wird. Abschließend wird für jedes System erfragt, auf welche Schwerpunktthemen die Politik in den nächsten 5 Jahren in Bezug auf die Resilienz des Infrastruktursystems vorrangig fokussieren sollte. Der quantifizierbare Teil der Ergebnisse wird statistisch ausgewertet, die Kommentare, Hinweise und detaillierten Ausführungen werden einer qualitativen Analyse unterzogen.

Expert/innenpanel

Wir machen die Expertise aus unseren internationalen Netzwerken systematisch für den Foresight-Prozess nutzbar. Dazu bauen wir sukzessive ein Expert/innenpanel auf und befragen ausgewählte Expert/innen regelmäßig zu Trend- und Resilienzbewertungen. Die gewonnene Expertise wird insbesondere für die Erarbeitung und Validierung des Foresight-Reports eingesetzt.

Für die Analyse der Infrastruktursysteme Energie, Landwirtschaft und Ernährung sowie Verkehr und Mobilität im Rahmen des 1. Projektzyklus wurden bisher über 60 Expertinnen und Experten im Rahmen von Interviews, moderierten Workshops oder einer explorativen Online-Erhebung eingebunden.

Foresight-Report(s)


2024
Foresight-Report 2024 — Ergebnisse der Analysen aus dem Resilienz-Radar
Bledow, N.; Eickhoff, M.; Evers-Wölk, M.; Kahlisch, C.; Kehl, C.; Nolte, R.; Riousset, P.
2024, Juni. (Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), Hrsg.)