Auswirkungen von Offshore-Windparks auf die Umwelt
- Projektteam:
- Themenfeld:
- Themeninitiative:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
- Analyseansatz:
TA-Projekt
- Starttermin:
2022
- Endtermin:
2024
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Thematischer Hintergrund
Die Stromerzeugung auf dem Meer wird in Europa und weltweit immer bedeutsamer. Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur IEA könnte die Offshore-Windkraft in Europa ihren Anteil von aktuell ca. 2 % binnen 20 Jahren auf rund 25 % steigern und somit zum wichtigsten Stromlieferanten werden. Auch in Deutschland wird der Ausbau der Offshore-Windenergie vorangetrieben, große Offshore-Windenergieparks (OWP) in Nord- und Ostsee wurden und werden realisiert. Mittlerweile sind über 1.500 Windenergieanlagen (WEA) mit einer Gesamtleistung von rund 8 Gigawatt (GW) in Betrieb, die aktuell ca. 5 % zur deutschen Bruttostromerzeugung beitragen. Die seitens der Politik proklamierten Ausbauziele für die Offshore-Windenergie liegen für 2030 bei 30 GW, für 2045 bei mindestens 70 GW.
Weitere Anreinerstaaten der Nord- und Ostsee haben ambitionierte Ausbauziele formuliert. So beschlossen etwa beim »Nordsee-Gipfel« am 18. Mai 2022 Belgien, Dänemark, Deutschland und die Niederlande das Ziel, bis 2030 zusammen 65 GW und bis 2050 mindestens 150 GW an Windstromleistung in der Nordsee zu installieren. Eine grobe Abschätzung der Flächenbedarfe verdeutlicht die enormen Ausmaße des Ausbaus: Ausgehend von einer mittleren Leistungsdichte von 10 MW/km2, würden sich WEA mit einer Gesamtleistung von 150 GW über eine Meeresfläche von ca. 15.000 km2 erstrecken (entspricht etwa der Fläche Schleswig-Holsteins). Auch Großbritannien plant, bis 2030 über 30 % des Strombedarfs mit Windkraft aus der Nordsee zu decken.
Sowohl in der Nord- als auch in der Ostsee erfolgt der WEA-Ausbau aufgrund der größeren Sensibilität der küstennahen Bereiche zum weitaus größten Teil in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), deren deutscher Teil in der Ostsee allerdings relativ klein ist und vor allem als Schifffahrtsweg genutzt wird. Mittlerweile zeigen sich deutlich die Zielkonflikte zwischen unterschiedlichen Nutzungsformen des Meeresraums (z. B. Energiegewinnung, Schifffahrt, Fischerei, Wissenschaft, Verteidigung, Tourismus) und dessen ökologischen Gegebenheiten bzw. Erhaltungsnotwendigkeiten (Schutz und Verbesserung der Meeresumwelt sowie ihrer biologischen, chemischen und physikalischen Prozesse; Erhalt des kulturellen Erbes u. a. m.). Dabei sind die Einschätzungen der möglichen Auswirkungen von WEA (sowohl während der Bauphase als auch bei ihrem Betrieb) auf andere Nutzungsformen und die Meeresumwelt durchaus unterschiedlich, da beispielsweise Windenergieparks einerseits die Ökosysteme empfindlich stören können, andererseits aber z. B. bedrohten Fischbeständen gegebenenfalls auch neue Rückzugsgebiete ermöglichen (da zwischen den WEA aus Gründen der Unfallverhütung in der Regel keine Fischerei bzw. kein Schiffsverkehr erlaubt ist).
Zu konstatieren ist jedoch generell, dass die möglichen Auswirkungen der Offshore-Energiegewinnung auf die Umwelt, aber auch auf die Wirtschaft (Fischerei, Handels- und Personenschifffahrt etc.) national wie international bislang noch kaum erforscht sind und vermutlich stark von Faktoren wie Küstenentfernung der Windparks, Wassertiefe, Anlagenkonfiguration oder Fundamenttyp abhängen.
Ziel und Vorgehensweise
Ziel des TA-Projekts ist die Bearbeitung grundsätzlicher Fragestellungen, zum einen, ob bzw. in welcher Weise Offshore-Windenergieparks (OWP) ggf. in die ökologischen Gesamtzusammenhänge (neben einzelnen betroffenen Fisch-, Vogel- und Säugerarten) jeweils der Ost- und Nordsee eingreifen, zum anderen aber auch, welche technologischen Optionen bestehen oder entwickelt werden müssten, um sinnvolle Anpassungen der OWP mit dem Ziel eines ausgewogenen »Kompromisses« zwischen Umweltschutz, Fischerei und Energiegewinnung erreichen zu können.
Auf Grundlage der politischen Ausbauziele für die Offshore-Windenergiegewinnung, aktueller Flächenentwicklungspläne für die deutsche AWZ sowie vergleichbarer Dokumente aus anderen Anreinerstaaten soll zunächst ein umfassender Überblick zum Stand und zu den Perspektiven des Windenergieausbaus in der Nord- und Ostsee erarbeitet werden. Die im Rahmen der Planung, des Baus und des Betriebs von OWP zu beachtenden Umweltschutzstandards (z. B. internationale Vereinbarungen zur Verhütung von Beeinträchtigungen der Meeresumwelt, EU-Richtlinien der Umwelt- und Fischereipolitik, nationale Regelungen in den Anreinerstaaten wie etwa Pflichten zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen) sollen dargestellt und ihre Wirkung diskutiert werden. Außerdem sollen verschiedene technologische Optionen der Offshore-Windenergiegewinnung (z. B. unterschiedliche Fundamenttypen) sowie der weitere Infrastrukturausbau, der für den Unterhalt der WEA sowie für den Transport der Windenergie vom Meer an Land nötig ist, betrachtet und diskutiert werden.
Unter Berücksichtigung des bisher existierenden Forschungsstandes sollen für die verschiedenen Technologieoptionen die (Ursachen der) möglichen Umweltgefährdungen und -beinträchtigungen (Wirkfaktoren) und potenziellen Auswirkungen auf die einzelnen Schutzgüter der Meeresumwelt identifiziert und beschrieben werden. Gegebenenfalls zu betrachtende Schutzgüter wären etwa Fischarten/Fischbestände, Arten des Meeresbodenbereichs/Benthos, Meeressäugetiere, Arten von Rast-, Brut- und Zugvögeln, Sediment, Wasserqualität, ‑schichtung, -strömung und -temperatur, Nahrung und Nährstoffe.
Stand der Projektbearbeitung
In Phase 1 des Projekts wurde bis August 2023 ein Gutachten erstellt: "Umwelteinwirkungen von Offshore-Windenergieparks sowie spezifische ökosystemare Auswirkungen auf die Meere“. In Projektphase 2 soll 2024 ein weiteres Gutachten die Auswirkungen großer Offshore-Windparks auf die ökologisch-ökonomischen Gesamtzusammenhänge in Nord- und Ostsee beleuchten. Ein Berichtsentwurf soll der zuständigen TA-Berichterstattergruppe der Fraktionen bis Herbst 2024 zur Abnahme vorgelegt werden.