Naturgemäßer Waldumbau in Zeiten des Klimawandels
- Projektteam:
Christoph Kehl (Projektleitung),
Christoph Revermann - Themenfeld:
- Themeninitiative:
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
- Analyseansatz:
TA-Projekt
- Starttermin:
2021
- Endtermin:
2023 (im Abnahmeprozess)
Der Endbericht zum TA-Projekt wurde vom Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 12.November 2024 abgenommen.
Warum ein naturgemäßer Waldumbau in Deutschland notwendig ist und wie er gelingen kann
In Kürze
- Der Klimawandel bedroht die Integrität der Waldökosysteme in Deutschland erheblich. In Deutschland wurden 2023 nur ca. 20 % der Bäume als gesund qualifiziert. Satellitendaten zeigen Baumverluste auf über 500.000 ha Fläche, was ca. 5 % der gesamten Waldfläche in Deutschland entspricht.
- Um eine fortschreitende Destabilisierung der Waldökosysteme zu verhindern, ist ein Umbau der Wälder zu vielfältigeren Mischwäldern unumgänglich. Für die Erhöhung der Alters- und Strukturdiversität von Wäldern und damit auch für deren Klimawandelanpassung ist die Wahl einer naturnahen Bewirtschaftungsform entscheidend.
- Die Ausgangssituation für eine naturnahe Waldbewirtschaftung ist in Deutschland sehr unterschiedlich, abhängig von waldgeschichtlicher Prägung, standörtlichen Voraussetzungen und Waldeigentumsart. Waldumbaubedarfe bestehen vor allem bei Reinbeständen von Fichte und Kiefer im Privatbesitz.
- Einer zielgerichteten staatlichen Förderung des Waldumbaus im Privatwald und begleitender forstlicher Beratung, die auf einer fundierten Einschätzung zu den Vor- und Nachteilen verschiedener Bewirtschaftungskonzepte basiert, kommt eine Schlüsselrolle zu.
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Worum es geht
Wälder haben eine große Bedeutung nicht nur für die Holzproduktion, sondern insbesondere für die Erhaltung der Biodiversität, für den Boden-, Grundwasser- und Gewässerschutz sowie für den lokalen und globalen Klimaschutz. Allerdings leiden sie besonders unter den klimawandelbedingten Veränderungen, die die Selbstorganisationsfähigkeit der Waldökosysteme herausfordert. Insbesondere nicht standortgemäße Reinbestände (z. B. Fichten- und Kiefernforsten) sind sehr risikobehaftet, da sie anfälliger für Schäden durch Insekten, Stürme oder Waldbrände sind. Angesichts ihres schlechten Zustands und damit es nicht zu einer möglicherweise noch weitergehenden Destabilisierung der Waldökosysteme kommt, besteht weitgehend Konsens, dass ein Umbau der Wälder zu naturnäheren Mischwäldern unumgänglich ist.
Stand und Ziele des naturnahen Waldumbaus
Naturnaher Waldumbau beinhaltet die Überführung von gleichaltrigen Reinbeständen (zum Teil aus naturfernen Baumarten bestehend) in strukturierte, möglichst ungleichaltrige Mischwälder. Der Waldumbau ist als Ziel und Fördertatbestand inzwischen Gegenstand fast aller Waldbaustrategien auf Bundes- und Landesebene. Nach Berechnungen des Thünen-Institutes für Waldökosysteme müssten in Deutschland etwa 2,2 Mio. ha Fichtenwälder sowie 620.000 ha Buchenwälder dringend zu Mischwäldern umgebaut werden. Dazu kommen mindestens 500.000 ha Schadflächen, die aktuell zur Wiederbewaldung anstehen. Um diesen Waldumbaubedarf bis etwa 2050 zu bewältigen, müssten jährlich knapp 100.000 ha Wald angepasst werden. Zwischen 2000 und 2017 wurden in Deutschland jährlich aber nur etwa 22.000 ha Wald umgebaut – über alle Waldbesitzarten. Das bedeutet, dass der naturnahe Waldumbau zukünftig erheblich beschleunigt werden muss.
Für die Erhöhung der Alters- und Strukturdiversität von Wäldern und damit auch für deren Klimawandelanpassung ist die Wahl eines passenden Waldbausystems die entscheidende Steuerungsgröße. Ein Waldbausystem umfasst alle Maßnahmen, die auf Bestandesebene von der Verjüngung über die Pflege bis zur Ernte der Bäume stattfinden. Die nach wie vor häufigste Betriebsart in Deutschland – besonders im Privatwald – ist die Altersklassenwaldwirtschaft, die sich hauptsächlich an betriebswirtschaftlichen Kriterien orientiert. Sie erfolgt zumeist mit schnell wachsenden Baumarten, wozu primär Nadelhölzer gehören (Abb. 1). Daneben haben sich in den letzten Jahrzehnten aber auch alternative Bewirtschaftungsformen etabliert, die die Überführung von gleichaltrigen Reinbeständen in strukturierte, möglichst ungleichaltrige Mischwälder zum Ziel haben. Dazu gehört zum einen das Dauerwaldkonzept (Abb. 2). Hier sollen standortgerechte, an der natürlichen Waldgesellschaft orientierte Wälder entstehen. Zum anderen wird u. a. im Lübecker Stadtwald eine prozessschutzorientierte Waldwirtschaft betrieben, die die natürliche Vielfalt und zieloffene Entwicklung des Waldes im Fokus hat. Die Zusammensetzung der Baumarten und die Altersstruktur bleiben hier weitgehend der Natur überlassen, eingeschlagen werden nur einzelne reife Bäume.
Implikationen für das Waldmanagement
Von besonderer Relevanz für die forstliche Praxis ist die Frage, wie ein geeignetes Management eines naturnahen Waldbaus bzw. -umbaus zu gestalten ist. Ein naturnaher Waldumbau muss die ökosystemaren Zusammenhänge berücksichtigen, während es sich zugleich um einen dynamischen und durchaus ergebnisoffenen Prozess handelt. Die zukünftigen Veränderungen des Klimas sowie der Wuchsbedingungen müssen beim Waldmanagement und der Wiederbewaldung berücksichtigt werden, ohne genaues Wissen darüber, wo, wie und in welchem Umfang sich welche Veränderungen vollziehen werden. Waldumbau und Anpassung an den Klimawandel werden dadurch zu einer kontinuierlichen Herausforderung.
Das alles zusammen führt zu Unsicherheiten hinsichtlich einer zielführenden klimaresilienten Bewirtschaftung der Wälder. Eine zentrale, aber auch kontrovers diskutierte Fragestellung für die forstliche Praxis lautet, ob ein grundlegender Paradigmenwechsel erforderlich ist, vor allem die großflächige Stilllegung von Waldflächen. Insgesamt deutet vieles darauf hin, dass eine aktive Waldbewirtschaftung, sofern sie in nachhaltiger Weise vorgenommen wird, den Waldumbau zu klimastabileren Wäldern wesentlich unterstützen kann. Eine schonende Holznutzung trägt zur Waldpflege bei und kann den Aufbau strukturreicher Mischwälder erleichtern, zu verminderter Konkurrenz zwischen den Bäumen führen und daher ein zentrales Anliegen im Bereich der Anpassung von Wäldern an den Klimawandel begünstigen. Außerdem lassen sich so erwünschte regulierende und unterstützende Ökosystemleistungen wie Schutz vor Naturgefahren und Erholung sichern. Biodiversitätsschutz lässt sich mit einer sinnvollen Mischung von genutzten Wäldern und ungenutzten Waldschutzgebieten gewährleisten.
Wälder haben in Deutschland immer noch eine gute Selbstregulationsfähigkeit: Nach Wald entsteht überwiegend wieder Wald. Zur Wiederbewaldung der umfangreichen Kahlflächen in Deutschland erscheint es deshalb sinnvoll, verstärkt natürliche Prozesse wie Naturverjüngung zu nutzen und Elemente des Vorbestandes wie Habitatbäume und auch Totholz weitgehend zu belassen. Doch vor allem bei ungünstigen Voraussetzungen – fehlendes Naturverjüngungspotenzial, Vergrasung, zu hohe Wildbestände – sind Aufforstungsmaßnahmen zu erwägen. Wichtig ist die möglichst geringe Beeinträchtigung des Waldbodens, denn ein funktionsfähiger Waldboden wird unter Klimawandelbedingungen immer mehr zum unverzichtbaren Wasser- und auch Kohlenstoffspeicher.
Technische Innovationen
Verschiedene Technologien bieten große Potenziale für die Unterstützung des naturnahen Waldumbaus. Vier Technikbereiche stehen dabei im Fokus:
- Waldmonitoring: Neuartige Monitoringansätze und -methoden, vor allem satelliten- und drohnengestützte Sensorplattformen sowie bodengestütztes Laserscanning, können wertvolle Informationen über den Umbauerfolg generieren, bei der Umsetzungskontrolle helfen und eine objektive Vergleichsgrundlage schaffen.
- Innovative maschinelle Ansätze zur Waldbewirtschaftung: Hier steht das zielgerichtete Anpassen von Maschinenkomponenten an die typischen Erfordernisse im Mischwald im Vordergrund – etwa ein optimierter Harvesterkopf für Laub- wie Nadelholz, ein verbesserter Kranarm sowie innovative Raupen mit geringen Bodendrücken. Fortschritte in Sensorik und IT ermöglichen es des Weiteren, vermehrt Assistenzsysteme zur Unterstützung der Maschinenbediener/innen zu etablieren (Abb. 3), wodurch die Produktivität erhöht, aber auch umweltschonendere Verfahren eingeführt werden können.
- Neue Möglichkeiten im Bereich biotischer Waldschutz: Um die Resilienz der Wälder für die Zukunft nachhaltig und umweltschonend zu erhöhen und einen guten Gesundheitszustand dauerhaft zu garantieren, müssen die präventiven Möglichkeiten, besonders die Überwachung und Prognose von Schadinsekten, optimiert und auch die Entwicklung neuer biologischer Verfahren vorangetrieben werden.
- Genetisches Monitoring dient dazu, Veränderungen in der genetischen Ausstattung von Waldbeständen zu erkennen. Es liefert insbesondere durch die Analyse klimaresilienter und stressrelevanter Baumartenmerkmale wichtige Kriterien für Waldumbaumaßnahmen und hilft dabei, etwa durch die Bewertung der Saatgutqualität, Risiken zu erkennen und zu vermeiden.
Alle diese Bereiche bedürfen der weiteren Förderung. Damit die Innovationen in der forstlichen Praxis auch ankommen, braucht es gut ausgerüstete Betriebe mit gut ausgebildeten Mitarbeitenden, was nicht in ausreichendem Maße gegeben ist. Die Waldbesitzstruktur stellt ein gewisses Hemmnis bei der Adaption neuer Technologien dar, weil viele kleine Privatwaldbesitzende finanziell kaum zu Technologieinvestitionen fähig sind. Gerade die kleineren Forstbesitzenden sind dadurch größtenteils von Innovationen ausgeschlossen. Dieses Manko kann durch staatliche Unterstützung und die verstärkte Einbindung von Forstbetriebsgemeinschaften abgemildert werden.
Ökonomische Aspekte
Der Waldumbau und die Anpassung des Waldes an den Klimawandel sind grundsätzlich mit hohen Kosten verbunden, die u. a. durch die Aufwendungen für den Waldumbau (z. B. Aufforstung oder Voranbauten) sowie die durch den Umbau entstehenden Mindererträge verursacht werden. Dabei hat die Bewirtschaftungsform der Wälder – Altersklassenwald, Dauerwald, Prozessschutzwald – nicht nur Auswirkungen auf die Geschwindigkeit des Waldumbaus in naturnahe Mischwälder, sondern auch große ökonomische Implikationen (Kasten).
Die Ausgangssituation für eine naturnahe Waldbewirtschaftung unter Beachtung der Anpassungsfähigkeit des Waldes an den Klimawandel ist in Deutschland sehr unterschiedlich je nach waldgeschichtlicher Prägung, standörtlichen Voraussetzungen und Waldeigentumsart. Während seit Längerem naturnah wirtschaftende Betriebe bereits eine hohe Baumarten- und Strukturvielfalt und damit gute Voraussetzungen für die Anpassung an den Klimawandel aufweisen, haben andere Betriebe (vor allem im Privatwald) immer noch größere Waldteile, die von einer risikogeprägten Altersklassenwaldwirtschaft mit Reinbeständen (hauptsächlich Fichte und Kiefer) gekennzeichnet sind.
Laut Schätzungen könnten sich die Gesamtkosten für den Waldumbau in Deutschland bis 2050 auf bis zu 40 Mrd. Euro belaufen. Klar ist, dass viele Privatwaldbesitzende diese Aufgabe ohne staatliche Förderung nicht werden stemmen können. Einer zielgerichteten staatlichen Förderung des Waldumbaus und begleitender forstlicher Beratung basierend auf einer fundierten Einschätzung zu den Vor- und Nachteilen verschiedener Bewirtschaftungskonzepte kommt für den langfristigen Erfolg des Waldumbaus deshalb eine Schlüsselrolle zu.
Aktuell wirken die politischen Bemühungen zur Förderung eines waldwirtschaftlichen Wandels zum Teil aber noch widersprüchlich und umfassen eine Vielzahl an Programmen und Maßnahmen, die auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Dies erschwert letztlich auch eine Bilanzierung von einzelnen Maßnahmen – etwa welche forstliche Förderung zum Klima-/Biodiversitätsschutz wie viel oder überhaupt beiträgt. Um eine positive Gesamtwirkung zu erzielen, müssen die Maßnahmen gut aufeinander abgestimmt sein. Die forstliche Förderung bedarf neben einer ausreichenden finanziellen Ausstattung grundlegend einer klaren politischen Zielsetzung und Ausrichtung, in der die zentralen Ziele der einzelnen Strategien und der aufsetzenden Fördermaßnahmen danach ausgerichtet sind, die Nachhaltigkeits- bzw. Gemeinwohlorientierung der Waldnutzung, den Schutz der biologischen Vielfalt und wichtige Klimaschutzziele nicht zu gefährden. Notwendig wäre zudem ein langfristig angelegtes und finanziell ausreichend ausgestattetes Förderprogramm für einen ökologischen bzw. ökosystembasierten Waldumbau, welches die Umwandlung in naturnahe Wälder möglichst unbürokratisch, jedoch anhand klarer und überprüfbarer Kriterien honoriert und für eine Beschleunigung der Waldumbauaktivitäten sorgt.
Ergebnisse der waldbaulichen und forstbetrieblichen SimulationenIm TAB-Arbeitsbericht Nr. 212 wurden die ökonomischen Implikationen eines naturnahen Waldumbaus anhand von Simulationen beleuchtet, die mögliche Pfade des naturnahen Waldumbaus sowie seine kurz- und langfristigen Auswirkungen auf die Einkommenssituation von Forstbetrieben aufzeigen. Als Testobjekte dienten vier fiktive Forstbetriebe: ein staatlicher Forstbetrieb in der Wuchsregion Nord, ein kommunaler Betrieb im Osten und jeweils ein privater Forstbetrieb im Süden und im Westen, die die Diversität bezüglich Standortbedingungen, Einkommensart (Staatswald, Kommunalwald, Privatwald) und Betriebsgröße abbilden sollen. Zudem differenzieren die Simulationen zwischen prozessschutzbasierter Waldwirtschaft (PSW), Dauerwaldbewirtschaftung (DWW) und Altersklassenwaldbewirtschaftung (AKW) in allen vier Forstbetrieben. Im Ergebnis zeigt sich, dass mit der prozessschutzorientierten Waldwirtschaft sowie der Dauerwaldbewirtschaftung nicht nur der Waldumbau schneller vonstattengeht, sondern diese Bewirtschaftungsformen auch betriebswirtschaftlich mittel- bis langfristig vorteilhafter sind als die bisher vorherrschende Altersklassenwaldwirtschaft.
Zwar sind mit solchen Simulationen zwangsläufig größere Unsicherheiten verbunden. Der Vergleich mit ähnlichen Analysen und betriebsökonomischen Langzeiterhebungen lässt die Ergebnisse aber zumindest tendenziell durchaus plausibel erscheinen. Ein ökonomischer Vorteil von Dauer- und Prozessschutzwäldern im Vergleich zu Altersklassenwäldern ist die Möglichkeit, die Bäume individuell nach ihrer Hiebsreife und somit zum Zeitpunkt des Maximums ihres Wertzuwachses zu ernten. Zudem werden über die Nutzung der natürlichen Prozesse in strukturierten Wäldern Aufwendungen bei der Waldpflege reduziert. Deshalb erscheint beim angestrebten Waldumbau eine frühzeitige Überführung eines gleichaltrigen Reinbestandes in strukturierte Dauer- oder Prozessschutzwälder sinnvoll, weil durch die Entnahme von starken, alten Bäumen mehr Einnahmen als durch die Endnutzung eines Altersklassenwaldes alle 40 oder 60 Jahre generiert werden können. Ungleichaltrige Dauerwälder führen zu häufigeren, kontinuierlich anfallenden, aber etwas geringeren Einnahmen, während es beim Altersklassenwald seltenere, aber höhere Einnahmen gibt. |
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TAB-Arbeitsbericht Nr. 212
Der vorliegende Bericht gibt einen breiten Überblick über die forstwissenschaftlichen, technischen, ökonomischen und rechtlichen Aspekte eines naturnahen Waldumbaus. Angesichts dessen Dringlichkeit und der damit einhergehenden finanziellen Anforderungen an die Forstwirtschaft werden die ökonomischen sowie forstbetrieblichen Aspekte besonders eingehend beleuchtet. Dies umfasst auch eine Analyse und Reflexion der aktuellen Förderarchitekturen und aufsetzender Förderstrategien auf Bundes- und Landesebene. Handlungsoptionen bzw. auch -notwendigkeiten werden aufgezeigt.
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TAB-Fokus Nr. 46 Naturgemäßer Waldumbau in Zeiten des Klimawandels Nahrungsmittelversorgung (PDF) Der TAB-Fokus bietet auf vier Seiten einen kompakten Überblick über Inhalt und Ergebnisse des TA-Projekts.
TAB-Fokus no. 46 Near-natural forest conversion in times of climate change (PDF) The policy brief TAB-Fokus offers a compact overview of the content and results of our TA analyses on four pages.
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