Innovative Technologien, Prozesse und Produkte in der Bauwirtschaft
- Projektteam:
Christoph Kehl (Projektleitung); Matthias Achternbosch; Christoph Revermann
- Themenfeld:
- Themeninitiative:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
- Analyseansatz:
TA-Projekt
- Starttermin:
2019
- Endtermin:
2022
Der große Bedarf an bezahlbarem Wohnraum stellt eine enorme nationale Herausforderung dar, die ohne eine leistungsfähige und innovative Bauwirtschaft nicht zu bewältigen ist. Von der Digitalisierung und Automatisierung der Bauprozesse werden wesentliche Impulse für eine effizientere Durchführung von Bauprojekten erwartet. Welche (digital)technischen Neuerungen befinden sich in Entwicklung, welche werden erprobt oder bereits eingesetzt? Wie sind ihre Potenziale einzuschätzen und mit welchen politischen Maßnahmen lässt sich der Innovationsstau der Branche überwinden?
Auf einen Blick
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Die Bauwirtschaft gehört systemisch bedingt zu den innovationsschwächsten Branchen
Die Bauwirtschaft zählt zu den sehr großen Wirtschaftssektoren. Im Vergleich zu anderen Branchen zeichnet sie sich jedoch durch eine verhältnismäßig niedrige Produktivitätsentwicklung und eine geringe Innovationstätigkeit aus (Abbildung). Die Art und Weise, wie Bauwerke geplant und errichtet werden, ist in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen gleich geblieben. Dies hat systemische Gründe: Das Baugewerbe gehört in Bezug auf seine Betriebsstruktur zu den außergewöhnlich fragmentierten Wirtschaftsbereichen und ist von tendenziell kapitalschwachen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) mit größtenteils weniger als 20 Mitarbeiter/innen und einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Akteure geprägt (Planungsbüros, Handwerksbetriebe, Bauunternehmen, Baustoffhersteller etc.). Innovationen können sich deshalb oft nicht in der Breite durchsetzen. Hinzu kommen weitere innovationshemmende Faktoren wie die fast schon beispiellose Normung und Regulierung sowie der Umstand, dass Bauwerke in der Regel Unikate darstellen, die eine ganz eigene Planung und Ausführung benötigen.
Digitales Planen und Bauen bietet viele Effizienzvorteile, die Implementierung trifft in Deutschland aber auf Hürden
Die Planung eines Bauwerks findet heute zwar am Computer statt, die elektronischen Planunterlagen werden jedoch meist weiterhin wie Papierdokumente behandelt und separat ausgetauscht. Abhilfe schafft die digitale Arbeits- und Planungsmethode Building Information Modeling (BIM). Dabei fließen alle wesentlichen Informationen zu einem Bauwerk, die für Planung, Bau und die nachträgliche Nutzung erforderlich sind, kontinuierlich in ein digitales Gebäudemodell ein. Alle relevanten Projektdaten und Planunterlagen sind damit für alle Projektbeteiligten jederzeit abrufbar. Dies bringt anfänglich zwar einen höheren Planungsaufwand mit sich, hilft über den gesamten Prozess hinweg jedoch, Kosten und Zeit zu sparen. Planungsfehler können frühzeitig erkannt und insbesondere kosten- und zeitintensive rückwirkende Planungsänderungen minimiert werden (Abbildung). In den letzten Jahren hat das Thema BIM auch in Deutschland deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Dennoch hinkt die BIM-Implementierung insbesondere im Wohnungsbau im internationalen Vergleich hinterher. Hürden sind die hohe Anzahl an KMU, die von der finanziell und organisatorisch aufwändigen BIM-Umstellung häufig abgeschreckt sind, sowie die strikte, auch vergaberechtlich verankerte Trennung von Planungs- und Ausführungsleistungen.
Während der Fertigteilbau bereits etabliert ist, ist der 3-D-Betondruck noch deutlich von einer massentauglichen Umsetzung entfernt
Naheliegende Möglichkeiten zur Steigerung von Effizienz und Produktivität bietet auch das serielle und modulare Bauen. Dabei werden Gebäude nicht als Unikate geplant und errichtet, sondern entweder in industriellen Fertigungsprozessen seriell gefertigt oder aus vorgefertigten Bauteilen (Modulen) nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt. Dadurch können Kosten eingespart und Bauprojekte bei hoher Präzision deutlich schneller durchgeführt werden. In Kombination mit BIM sowie digitalen und weitgehend vollautomatisierten Vorfertigungsmethoden lassen sich heute eine nie dagewesene Komplexität, Variabilität und Präzision der Fertigteile und Module erreichen. Die additive Fertigung von Gebäuden, umgangssprachlich als 3-D-Druck bezeichnet, benötigt hingegen noch längerfristige Forschung und Entwicklung. Zwar ist international und auch in Deutschland eine rapide Zunahme an Demonstrationsprojekten zum 3-D-Betondruck von meist kleinen Gebäuden festzustellen. Die Integration der Bewehrung sowie die Entwicklung von druckbarem Beton mit ausreichender Formstabilität (z. B. für Deckenstrukturen) stellen jedoch noch größere Herausforderungen dar.
Mit Blick auf steigende Nachhaltigkeitsanforderungen ist die Entwicklung von zukunftsfähigen Baustofftechnologien von zentraler Bedeutung
Die Baustoffindustrie hält im Prinzip seit Jahrzehnten am bestehenden System der Baustoffe (z. B. Ziegel, Beton, Holz und Glas) fest und bringt zumeist nur inkrementelle Innovationen hervor. Moderne Gebäude bestehen im Kern meist aus konventionellem Beton, ein weltweit in großer Menge hergestelltes Material, das auf Portlandzementklinker als mineralischem Bindemittel basiert. Dessen Herstellung ist energieintensiv und mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Die hohen Anforderungen an Bauwerke bzgl. Nachhaltigkeit, Dauerhaftigkeit, Wärmedämmung etc. werden derzeit praktisch nur durch additive, nachgeschaltete Baustofftechnologien erreicht (wie z.B. bei der Wärmedämmung). Deshalb sollte der Neu- bzw. Weiterentwicklung von ressourcen- und klimaschonenderen Baustofftechnologien (insbesondere neuartige Zementsysteme) ein wichtiges Augenmerk gelten, da sich mineralische Materialien nicht komplett durch Holz substituieren lassen.
Die Steigerung der Innovationsfähigkeit der Baubranche ist mindestens ebenso eine betrieblich-organisatorische wie eine technologische Frage
Die Bauwirtschaft steht vor vielfältigen Herausforderungen – Steigerung von Produktivität und Effizienz, steigende Anforderungen an Ressourcen- und Klimaschutz bei hohen Qualitätsstandards –, die ohne eine grundsätzliche technologische Modernisierung kaum zu meistern sein dürften. Allerdings wird die Forcierung digitaler Technologien alleine nicht ausreichend sein, damit Innovationen letztlich auch in der Praxis ankommen. Erforderlich ist ein wesentlich erweiterter Blickwinkel, der auch Umweltgesichtspunkte, systemische Rahmenbedingungen und weiche betriebliche Aspekte einbezieht (Betriebsführung, Risikobereitschaft, Kommunikationskultur etc.). Die Digitalisierung erfordert von allen Beteiligten die Bereitschaft, sich auf einen grundlegenden Strukturwandel einzulassen. Innovationen werden letztlich nur dann erfolgreich sein, wenn sie den Anforderungen und Bedürfnissen der KMU gerecht werden. Diese sollten deshalb in Innovations- und Standardisierungsprozesse frühzeitig einbezogen werden.
Downloads
TAB-Arbeitsbericht Nr. 199 Innovative Technologien, Prozesse und Produkte in der Bauwirtschaft. Endbericht zum TA-Projekt. (PDF) |
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TAB-Fokus no. 36 (in English) |
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- Vorgang - Bericht, Gutachten, Programm im Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien (DIP)