Nahrungsmittel Welternährung LandwirtschaftDieter Schütz/pixelio

Welchen Beitrag kann die Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems leisten?

  • Projektteam:

    Marc Dusseldorp (Projektleitung), Arnold Sauter

  • Themenfeld:

    Landwirtschaft und Ernährung

  • Themeninitiative:

    Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

  • Analyseansatz:

    TA-Projekt

  • Starttermin:

    2009

  • Endtermin:

    2010

Weltweit leiden über 1 Mrd. Menschen Hunger – mehr als je zuvor seit 1970, dem Beginn der Welternährungsstatistik der Vereinten Nationen. Hinzu kommen mehrere Milliarden Menschen mit »verdecktem Hunger«, d. h. einer Unterversorgung mit lebenswichtigen Mikronährstoffen wie Vitaminen oder Mineralstoffen, sowie über eine Milliarde Menschen, die an Übergewicht bzw. Fettleibigkeit und den dadurch verursachten Krankheiten leiden. Während die Anzahl der weltweit unterernährten Menschen bereits seit Mitte der 1990er Jahre wieder zunimmt, ging bis vor wenigen Jahren zumindest der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung zurück. Infolge der Nahrungsmittelkrise 2007/2008 sowie der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist seit 2008 erstmals wieder seit 1970 auch der Anteil der Unterernährten an der Gesamtbevölkerung gestiegen. Die Sicherung der Welternährung ist dadurch erneut in das Zentrum der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit gerückt.

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Gegenstand und Ziel der Untersuchung

Weltweit leiden über 1 Mrd. Menschen Hunger – mehr als je zuvor seit 1970, dem Beginn der Welternährungsstatistik der Vereinten Nationen. Hinzu kommen mehrere Milliarden Menschen mit »verdecktem Hunger«, d. h. einer Unterversorgung mit lebenswichtigen Mikronährstoffen wie Vitaminen oder Mineralstoffen, sowie über eine Milliarde Menschen, die an Übergewicht bzw. Fettleibigkeit und den dadurch verursachten Krankheiten leiden. Während die Anzahl der weltweit unterernährten Menschen bereits seit Mitte der 1990er Jahre wieder zunimmt, ging bis vor wenigen Jahren zumindest der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung zurück. Infolge der Nahrungsmittelkrise 2007/2008 sowie der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist seit 2008 erstmals wieder seit 1970 auch der Anteil der Unterernährten an der Gesamtbevölkerung gestiegen. Die Sicherung der Welternährung ist dadurch erneut in das Zentrum der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit gerückt.

In der seit Jahrzehnten andauernden Diskussion zur Welternährungsproblematik wurden zahlreiche Einflussgrößen identifiziert, die die globale Ernährungssituation bestimmen. Dazu zählen so heterogene Faktoren wie die verfügbare Anbaufläche, die Entwicklung der Weltbevölkerung und der Ernährungsgewohnheiten, Fortschritte in der Pflanzenzüchtung, die rechtliche und sozioökonomische Situation von Frauen, Reformen im Bodenrecht, Wasserverfügbarkeit u.v.m. Diese Faktoren dürfen nicht voneinander isoliert betrachtet werden, sondern weisen komplexe Wechselwirkungen auf. So ist ein geringer Bildungsgrad einerseits eine wichtige Ursache für Unter- und Mangelernährung. Andererseits wirken Unter- und Mangelernährung der Bildung von Erwachsenen und Kindern entgegen. Das Welternährungsproblem ist somit von einem komplexen System heterogener Faktoren bestimmt.

Nach Ansicht des überwiegenden Teils der Experten ist das Welternährungsproblem nach wie vor primär ein Zugangs- und kein Mengenproblem. Allerdings könnte sich diese Situation mit Blick auf die kommenden Jahrzehnte ändern: Unter den Prämissen einer weiter wachsenden Weltbevölkerung, eines fortschreitenden Wandels der Ernährungsgewohnheiten hin zum ressourcenintensiven Ernährungsstil der Industrieländer sowie eines zunehmenden Drucks auf die landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen (Degradierung fruchtbarer Böden, Ernteausfälle infolge des Klimawandels, Anbau nachwachsender Rohstoffe) könnte sich das Welternährungsproblem künftig sowohl als Verteilungs- als auch als Mengenproblem darstellen.

Viele der genannten Einflussgrößen haben einen mehr oder weniger starken Forschungsbezug. Hierzu zählen nicht nur Züchtungsforschung sowie andere Ansätze, die die Produktion von Nahrungsmitteln betreffen, sondern z. B. auch Forschung zur Verminderung von Nachernteverlusten oder zum Wandel der Ernährungsgewohnheiten sowie übergreifende Ansätze etwa zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft. Entsprechend wird in allen einschlägigen Stellungnahmen und Berichten der vergangenen Jahre – u. a. des G8-Gipfels im Juli 2008, der FAO und der Bundesregierung, des sogenannten Weltagrarrates IAASTD sowie der Weltbank –Wissenschaft und Technik eine wichtige Rolle zugesprochen.

Vor diesem Hintergrund war es Ziel des TAB-Projekts zu untersuchen, in welchen Bereichen der deutschen Forschung relevante Lösungsbeiträge zu erwarten sind, sodass eine intensivere Unterstützung naheläge. Dabei sollte die Themenstellung in einer breiten Perspektive angegangen werden, um den Blick auch auf solche Forschungsfelder zu richten, die in der einschlägigen Diskussion bislang vernachlässigt wurden, obwohl von ihnen nennenswerte Beiträge zur Lösung des Problems erwartet werden können. Zugleich konnte es aufgrund der Breite und Komplexität des Themenfeldes nicht Ziel des Projekts sein, eine umfassende Liste von Forschungsthemen zu erstellen. Stattdessen sollten ausgewählte relevante Themenstellungen für die Forschung vertieft behandelt und darüber hinaus übergreifende Schwerpunktsetzungen für die Forschungspolitik reflektiert werden. Besonderes Augenmerk wurde auch auf die Frage gelegt, welche Lehren aus den in der Vergangenheit z. T. ernüchternden Erfahrungen mit der Wirksamkeit entwicklungsorientierter Forschung für die zukünftige Forschungsorganisation gezogen werden sollten.

Ergebnisse

Drei Sichtweisen auf das Welternährungsproblem

In den Diskussionen zum Welternährungsproblem werden unterschiedliche Antworten auf die Frage gegeben, worin das Problem »eigentlich« besteht. Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Perspektiven unterscheiden, die in Bezug auf das Welternährungsproblem eingenommen werden: Mengen-, Zugangs- und Ernährungsperspektive. Die ersten beiden prägen die gegenwärtigen Debatten, letztere spielt bislang eine vergleichsweise geringe Rolle.

  • In der »Mengenperspektive« steht die insgesamt produzierte und nachgefragte Menge an Nahrungsmitteln im Mittelpunkt des Interesses. Diese Perspektive wird häufig eingenommen, wenn der künftige Nahrungsmittelbedarf der Weltbevölkerung – etwa im Jahr 2050 – zum Thema gemacht wird. Aus der Zahl der Menschen sowie ihrem mittleren Nahrungsenergiebedarf wird hierbei auf die insgesamt benötigte Menge an Nahrungsmitteln geschlossen.
  • Dem gegenüber wird in der »Zugangsperspektive« betont, dass für eine Beurteilung der Welternährungslage nicht die rechnerische, sondern die tatsächliche Verfügbarkeit von Nahrung für alle Menschen entscheidend ist. Trotz eines seit Jahrzehnten bestehenden Überschusses der Produktion gegenüber dem Bedarf haben Millionen von Menschen keinen Zugang zu Nahrungsmitteln. Das Interesse liegt daher auf den Mechanismen, die zu einer bestimmten Verteilung der insgesamt verfügbaren Nahrungsmittel innerhalb der Weltbevölkerung führen.
  • Die »Ernährungsperspektive« stellt das individuelle Ernährungsverhalten sowie dessen Bestimmungsfaktoren in den Mittelpunkt. Das Welternährungsproblem ist in dieser Sichtweise weder primär ein Mengenproblem noch ein bloßes Zugangsproblem. Vielmehr wird es wesentlich als Problem des Ernährungsverhaltens verstanden, das u. a. gekennzeichnet ist durch unzureichendes Wissen über gesunde Ernährung und geeignete Zubereitungsweisen für die zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel.

Jede der drei Perspektiven geht mit einem spezifischen Problemverständnis einher. Insbesondere kommen je nach Perspektive unterschiedliche Einflussgrößen auf die Welternährungssituation in den Blick: Einflussgrößen in der Logik der Mengenperspektive sind bspw. solche, die die Quantität und Qualität der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen (z. B. Nutzungskonkurrenzen, Bodendegradation) oder die Nachfrage nach Lebensmitteln betreffen. Wichtige Einflussgrößen in der Logik der Zugangsperspektive sind Armut sowie die Landbesitz- und Landrechtesituation. Da diese Einflussgrößen zugleich potenzielle Ansatzpunkte für Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems darstellen, prägen die Perspektiven letztlich auch den Blick auf mögliche Beiträge der Forschung.

Potenziale ausgewählter Forschungsfelder

Aus der Vielzahl potenzieller Themenfelder für Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems wurde in der ersten Projektphase eine Auswahl durch Kurzgutachten näher behandelt. Die folgenden Forschungsfelder werden im Abschlussbericht des TA-Projekts vertieft behandelt:

  • Pflanzenzüchtung für marginale Standorte
  • Nutzung vernachlässigter Pflanzenarten
  • Beiträge der ökologischen Landwirtschaft zur Welternährung
  • Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel
  • Veränderung der globalen Ernährungsgewohnheiten
  • Nacherntetechnologie
  • Strategien zur Behebung von Mikronährstoffdefiziten

Zentrale Weichenstellungen für die Forschungsausrichtung: Ergebnisse des Expertenworkshops im Bundestag

Integraler Bestandteil des Projekts war der TAB-Workshop »Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems«, der dazu dienen sollte, drei zentrale Problemfelder des Projektthemas in einem Kreis von Fachleuten und der interessierten Öffentlichkeit im Rahmen moderierter Podiumsdiskussionen zu erschließen. Der am 17. Juni 2010 im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages durchgeführte Workshop stieß auf große Resonanz: Rund 80 Personen, größtenteils aus Wissenschaft, Politik, Entwicklungszusammenarbeit sowie Nichtregierungsorganisationen, nahmen an der Veranstaltung teil.

Die Problemfelder wurden durch das TAB auf Grundlage einer Auswertung der Kurzgutachten sowie weiterer einschlägiger Literatur definiert. Sie sollten einen möglichst großen Teil der Diskussionen um Forschung mit Welternährungsbezug einfangen und zugleich zentrale, z. T. kontroverse Stellen der Debatte markieren.

  • Die erste Themenstellung »Im Fokus der Forschung: Produktion oder Verbrauch?« ging von der These aus, dass Forschung mit Welternährungsbezug bislang vor allem die Produktionsseite der Nahrungsmittelversorgung im Blick hat. Die Diskussion befasste sich im Kern mit der Frage, welchen Beitrag zur Lösung des Welternährungsproblems Forschung leisten kann, die nicht an der Produktions-, sondern an der Verbrauchsseite ansetzt.
  • Demgegenüber nahm die zweite Diskussionsrunde mit dem Thema »Kontroverse Strategien zur Produktionssteigerung« die Produktionsseite in den Blick und beschäftigte sich mit unterschiedlichen, teils kontrovers diskutierten Strategien zur Linderung des Welternährungsproblems mittels Produktionssteigerungen.
  • Während die ersten beiden Diskussionen unterschiedliche Ansatzpunkte für die Forschung zum Gegenstand hatten, befasste sich das dritte Podium »Forschungsorganisation: Lehren aus dem Transferproblem für Fördereinrichtungen und Forschungspolitik?« mit dem »Wie« der Forschung. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, inwiefern alternative Formen der Forschungsorganisation – etwa partizipative Forschung – geeignet sind, die Probleme der bislang vorherrschenden Art von Forschung zu beheben.

Eine detaillierte Auswertung des Workshops ist Teil des Abschlussberichts des TA-Projekts.

Mögliche Schwerpunktsetzungen für zukünftige Forschung

Aus der Gesamtschau der Projektergebnisse wurden mögliche Schwerpunktsetzungen für zukünftige Forschung zum Welternährungsproblem entwickelt. Dabei wurde an die Schwerpunktsetzungen des Workshops angeknüpft, da ihre Relevanz von den Workshopteilnehmenden fast durchgängig unterstrichen wurde. Darüber hinaus sollten die Überlegungen die drei o. g. Perspektiven auf das Welternährungsproblem in ihren Wechselwirkungen berücksichtigen. Die folgenden Schwerpunktsetzungen werden im Bericht diskutiert.

Produktions- und Verbrauchsseitige Themenfelder gleichermaßen berücksichtigen

Die Gegenüberstellung von produktions- und verbrauchsseitigen Einflussgrößen macht deutlich, dass nicht nur erstere, sondern auch letztere die Welternährungssituation in hohem Maße bestimmen. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, den produktions- wie auch verbrauchsseitigen Einflussgrößen im Rahmen der Forschung einen gleichermaßen hohen Stellenwert einzuräumen. Allerdings deuten die Projektergebnisse darauf hin, dass die Verbrauchsseite bislang verhältnismäßig geringe Beachtung und Förderung erfahren hat. Daher erscheint eine verstärkte Unterstützung nachfrageseitiger Forschung vielversprechend.

Produktivitätssteigerung: Zugang zu Nahrung und Ressourcenschutz in den Mittelpunkt stellen

Mit Blick auf eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität werden zwei Strategien unterschieden, die in Abhängigkeit der spezifischen regionalen Bedingungen sinnvoll sein können: High-external-Input-Intensivierung von Hochleistungsstandorten sowie Low-external-input-Intensivierung von marginalen Standorten in Entwicklungsländern. Die Ergebnisse des Projekts zeigen, dass Produktivitätssteigerungen mit zwei zentralen Herausforderungen konfrontiert sind: Zum einen muss gewährleistet werden, dass die am stärksten von Unterernährung betroffenen Menschen einen verbesserten Zugang zu Nahrung erhalten. Zum anderen muss der derzeitige Ressourcenverbrauch landwirtschaftlicher Praktiken dringend erheblich reduziert werden, nicht zuletzt deshalb, weil die globale Nahrungsmittelproduktion andernfalls ihrer Wirtschaftsgrundlage beraubt wäre.

Für eine Schwerpunktsetzung auf Low-external-Input-Intensivierung spricht zweierlei: Zum Ersten kann auf diese Weise eine Koppelung von Produktivitätssteigerung und Zugang im Bereich der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Entwicklungsländern erreicht werden. Zum Zweiten basiert dieser Ansatz auf nur geringen externen Inputs und kann auf diese Weise der drängenden Herausforderung begegnen, die Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft zu erhalten und zu pflegen. Mit Blick auf Produktivitätssteigerung durch High-external-Input-Intensivierung auf Hochleistungsstandorten sollte der Schwerpunkt zukünftiger Forschung auf dem Aspekt der Ressourcenschonung liegen.

Forschung zum globalen Ernährungsverhalten ausbauen

Das Welternährungsproblem wird bislang in erster Linie als Mengen- oder Zugangsproblem verstanden; die Sichtweise, der zufolge es sich wesentlich auch um ein Problem des Ernährungsverhaltens handelt, spielt in den einschlägigen Diskussionen bislang eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist es plausibel davon auszugehen, dass diese »Ernährungsperspektive« auf das Welternährungsproblem für dessen Lösung von zentraler Bedeutung ist. Bislang existiert eine solche Welternährungsforschung in Deutschland lediglich in Ansätzen. Eine Perspektive für die deutsche Forschung sollte vor diesem Hintergrund sein, bisher vernachlässigte Bereiche zu stärken (z. B. Ernährungsforschung mit Schwerpunkt auf Entwicklungsländern) und diese zu einem Feld »Forschung zum globalen Ernährungsverhalten« auszubauen.

Forschungspolitische Handlungsoptionen

Darüber hinaus wurden Handlungsoptionen mit Bezug zu Forschungsorganisation und Forschungsförderung skizziert:

Welternährungsforschung als ressortübergreifende Aufgabe

Seit Verabschiedung des Berichts der Bundesregierung »Globale Ernährungssicherung durch nachhaltige Entwicklung und Agrarwirtschaft« im Juni 2008 konnten in den drei hauptsächlich relevanten deutschen Ressorts – BMBF, BMELV und BMZ – wichtige programmatische Veränderungen unterschiedlichen Zuschnitts beobachtet werden: die Verabschiedung der »Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030«, die Förderung der Gründung der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) sowie die Erarbeitung des Konzept »Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag zur Ernährungssicherung«. Bei allen drei Aktivitäten steht die Problemorientierung im Vordergrund, gleichzeitig wird ein Anspruch an ressortübergreifendes Handeln explizit formuliert, was eine bessere Kooperation und mit Blick auf den Entwicklungsbereich vielleicht auch größere Kohärenz in diesem Politikbereich erwarten lässt.

Die konzeptionelle Weiterentwicklung von Forschungsprogrammen ist eine kontinuierliche Aufgabe aller Beteiligten, hier v. a. der Ministerien, der Fördereinrichtungen, der Ressortforschung, der universitären und außeruniversitären Forschung sowie forschungsorientierter staatlicher und privater Entwicklungsorganisationen. Dabei geht es um inhaltliche Schwerpunktsetzungen, aber auch um prozedurale, organisatorische Fragen der engeren Zusammenführung unterschiedlicher Kompetenzen.

Anknüpfend an die programmatischen Bemühungen von BMBF, BMELV und BMZ wäre ein möglicher nächster Schritt ein gut vorbereiteter, offener und gleichberechtigter Diskurs zwischen den unterschiedlichen »Kulturen« aus den Forschungsbereichen der drei Ressorts. Zu überlegen wäre, ob neben bestehenden Strukturen an Universitäten und vorhandenen Einrichtungen der Entwicklungsforschung eine zentrale Anlaufstelle für Projekte und Themen der entwicklungsorientierten Agrarforschung und verwandter Gebiete etabliert werden sollte, oder ob mehrere dezentrale, virtuelle Kompetenzzentren zu verschiedenen Teilfragen bzw. regionalen Aspekten einer entwicklungsorientierten Welternährungsforschung geeigneter wären.

Bessere Bedingungen für partizipative Forschung

Über den Erfolg von Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems entscheidet ganz wesentlich die Forschungsorganisation, d. h. die Art und Weise, in der die Forschung betrieben wird. Seit Jahren wird ein zu geringer Stellenwert inter- bzw. transdisziplinärer und partizipativer Kapazitäten und Kompetenzen sowie eine Marginalisierung derjenigen Fächer in den agrarwissenschaftlichen Fakultäten und Forschungseinrichtungen kritisiert, die für adressatenorientierte Forschung als unerlässlich gelten. Hier wäre eine konsequente Umsteuerung durch Bund und Länder nötig. Zu prüfen wäre die Schaffung einer zentralen Stelle (im Sinn eines »Kompetenzzentrums Partizipative Agrarforschung«) an einer geeigneten Forschungseinrichtung. Auf europäischer Ebene böte sich die Bildung und Unterstützung eines europäischen Netzwerks »Participatory Research for Global Food Security« an. Auch im 8. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Kommission sollte der Einsatz partizipativer Methoden gezielt gefördert werden.

Neben der Schaffung bzw. dem Ausbau von Kapazitäten in Hochschulen und Forschungseinrichtungen wäre es nötig, die Bedingungen der Forschungsförderung anzupassen. Um die Chancen partizipativer Projekte zu erhöhen, wäre es unter anderem nötig, eine offenere Projektplanung zuzulassen, die Flexibilität der Mittelvergabe zu vergrößern und andere Methoden zur Überprüfung der Effektivität der geförderten Projekte zu etablieren.

Kooperative »Leuchtturmprojekte« als möglicher nächster Schritt

Aus der Verbindung der Überlegungen zur Stärkung partizipativer Forschung mit den Handlungsoptionen zur Weiterentwicklung der forschungspolitischen Programmatik resultiert eine vergleichsweise kurzfristig umzusetzende Handlungsmöglichkeit: die Konzeption und Entwicklung von »Leuchtturmprojekten« im Sinn von »gemeinsamen Beiträgen deutscher Forschungsakteure zur Ernährungssicherung marginalisierter Bevölkerungsgruppen durch eine nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume« – mit explizit partizipativer Ausrichtung und als ressort-, disziplinen- und akteursübergreifende Beispiele für Problem- und Adressatenorientierung. Ziel müsste es sein, die entwicklungsbezogenen Aktivitäten von Universitäten, außeruniversitären Instituten, fachlichen Organisationen und NGOs mit Akteuren aus vorwiegend national bzw. europäisch ausgerichteten Agrar-, Bio-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften problembezogen zusammenzuführen. Die Finanzierung würde in den Rahmen der »Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030« passen; die Konzeption des BMZ »Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag zur Ernährungssicherung« wäre als Orientierung zu nutzen; die Ressortforschung des BMELV könnte sich über die DAFA einbringen. Wichtig wäre auch eine aktive Beteiligung der DFG als zentrale Fördereinrichtung der Grundlagenforschung.

Publikationen


Im Bundestag