Disruption in society – TA to the rescue?

  • Veranstaltungsart:

    EPTA-Konferenz 

  • Veranstaltungsort:

    Deutscher Bundestag
    Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1, 10117 Berlin
    Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Anhörungssaal 3.101

  • Datum:

    17.10.2022

  • Veranstalter:

    TAB und Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (im Rahmen der diesjährigen Präsidentschaft des Netzwerks europäischer parlamentarischer TA-Einrichtungen, EPTA)

  • Zeit:

    9.45 bis 17.00 Uhr

Internationale EPTA-Konferenz zu gesellschaftlichen Disruptionen

Plakat EPTA-Konferenz 2022  "Disruption in society - TA to the rescue" with a colorfull worldmap epta-logo bundestaglogo and symbolic pictures of projects aws - forrests - critis

Was haben Sprunginnovationen, der 11. September 2001, ein mögliches Abreißen des Golfstroms und die Covid-19-Pandemie gemeinsam? Die Antwort lautet: Disruption! Gemeint sind einschneidende, sich schnell vollziehende Veränderungen mit (oft) zerstörerischem Charakter. Zerstörung kann dabei auch im Sinne von "schöpferischer Zerstörung" Chancen für Neues bieten. Für die Technikfolgenabschätzung (TA) relevant sind Disruptionen, in denen Technologien einen wesentlichen Part spielen, etwa als Auslöser der Disruption, als Mittel zum Umgang damit oder als betroffenes System.

Anhand dreier exemplarischer Themenbereiche beleuchteten wir einige der vielen Facetten von Disruption:

  1. Kritische Infrastrukturen (etwa die Strom- und Wasserversorgung, das Internet), deren Ausfall um jeden Preis verhindert werden muss;
  2. Autonome Waffensysteme als Beispiel für softwaregestützte Systeme, die Entscheidungen mit potenziell weitreichen Konsequenzen treffen;
  3. Wälder als Musterbeispiel für einen Naturraum, der durch Klimawandel und andere menschliche Aktivitäten stark unter Druck steht und "umzukippen" droht.

Anspruch der Technikfolgenabschätzung ist es, Orientierungswissen bereitzustellen, indem sie Chancen und Risiken frühzeitig erkennt und benennt. Zudem kann sie etwa Verletzbarkeiten und Instabilitäten identifizieren, Szenarien entwickeln und mögliche Konsequenzen verschiedener Handlungsoptionen analysieren. Mit zahlreichen Beispielen aus der internationalen Forschungs- und Beratungspraxis der EPTA-Partner und darüber hinaus ging die Konferenz der Frage nach, welchen Beitrag für den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit Disruptionen TA geleistet hat und weiter leisten kann.

Gemeinsam mit dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages freuten wir uns, als diesjährige EPTA-Präsidentschaft die Konferenz gemeinsam mit unseren europäischen Netzwerkpartnern der parlamentarischen TA in Berlin auszurichten und bedanken uns für die zahlreiche Teilnahme – vor Ort oder live im Parlamentsfernsehen.

Mitschnitt

Das EPTA-Netzwerk ist die europäische Vereinigung von Institutionen der parlamentarischen Technikfolgenabschätzung. Die derzeit 25 Mitglieder beraten ihre jeweiligen Parlamente zu Themen aktueller Technologien und Innovationen. Die jährliche EPTA-Konferenz wird 2022 vom Deutschen Bundestag mit dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) ausgerichtet, die in diesem Jahr die EPTA-Präsidentschaft innehaben.

Parallel zur Konferenz ist der EPTA-Report 2022:“Disruption in society – TA to the rescue?“ erschienen. Der Sammelband umfasst die individuellen Beiträge von Netzwerkmitgliedern und bündelt die unterschiedlichen Perspektiven im Umgang mit Disruptionen im Kontext der Konferenzthemen (1) autonome Systeme, (2) kritische Infrastrukturen und (3) Naturräume unter Druck.

Programm

ab 9:00 Uhr  Ankunft und Registrierung
9:45 Uhr 

Begrüßung und Eröffnung

  • Kai Gehring, MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
10:00 Uhr 

Thematische Einführung

  • Prof. Dr. Armin Grunwald, Leiter des TAB
10:10 Uhr 

Keynote: »Wir formen unsere Welt, danach formt sie uns«

  • Marc Elsberg, Autor u.a. Romans "Blackout"
10:40 Uhr

Session I: Kritische Infrastrukturen – wie verhindern wir Disruptionen?

Chair: 

  • Dr. Michael Nentwich, ITA, Österreich

 

Speaker: 

  • Dr. Petra Jonvallen, ERS, Riksdag, Schweden
  • Jaro Krieger-Lamina, ITA, Österreich
  • Katri Liekkilä, National Emergency Supply Agency (NESA), Finnland
  • Gerhard Deimek, Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat
12:10 Uhr Lunch
13:00 Uhr 

Session II: Autonome Waffensysteme – der Mensch im Fadenkreuz der Maschine

Chair:

  • Linda Kool, Rathenau Institut, Niederlande

 

Speaker:

  • Dr. Frank Sauer, Uni der Bundeswehr, München
  • Maya Brehm, Internationales Komitee vom Roten Kreuz, Schweiz
  • Prof. Chris Jenks, LL.M, SMU Dedman School of Law, Texas, USA
  • Prof. Dr. Cedric Ryngaert, Juristische Fakultät der Universität Utrecht, Niederlande
14:30 Uhr  Kaffeepause
15:00 Uhr 

Session III: Natur unter Druck – der Mensch als disruptive Kraft

Chair: 

  • Dr. Helene Limen, Baltic Waters 2030, Schweden

Speaker:

  • Dr. Somidh Saha, ITAS, Karlsruhe
  • Dr. Palle Madsen, InNovaSilva ApS, Dänemark
  • Prof. Dr. Pierre Ibisch, HNE Eberswalde
16:30 Uhr 

Abschlusspodium: Vom Rat zur Tat – Disruption aus Sicht von Abgeordneten 

Abgeordnete der Berichterstattergruppe TA:

  • Kai Gehring, MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Bündnis 90/Die Grünen)
  • Dr. Holger Becker, MdB, SPD
  • Lars Rohwer, MdB, CDU/CSU
  • Laura Kraft, MdB, Bündnis 90/Die Grünen
  • Prof. Dr. Stephan Seiter, MdB, FDP
  • Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Kaufmann, MdB, AfD
  • Ralph Lenkert, MdB, Die Linke

 

Moderation:

  • Tore Tennøe, Teknologirådet, Norwegen
17:00 Uhr  Erfrischungen

Programmbroschüre (PDF)

Die Konferenzsprache war English und Deutsch und stand eine Simultanübersetzung zur Verfügung.

Sessions und Speaker

"Wir formen unsere Bauwerke, danach formen sie uns", sagte einst Winston Churchill. Mit dem Eintritt in das so genannte Anthropozän muss diese Erkenntnis erweitert werden zu "Wir gestalten unsere Welt, danach gestaltet sie uns". Während Ereignisse wie das Versagen großer Infrastrukturen ganze Gesellschaften bedrohen, haben die Entwicklung autonomer Killermaschinen oder die Verwandlung des Planeten in ein Treibhaus das Potenzial, das Spiel grundlegend zu verändern, und gehen weit über das "uns formen" hinaus. Meine Romane erkunden mögliche Zukünfte, die auf Fakten beruhen, aber von der Vorstellungsgabe geleitet werden. Wenn das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht, kommt die Menschheit der Fiktion allzu oft schockierend nahe.

Speaker

  • Marc Elsberg, Autor des Romans "Blackout"

 

Fließend Wasser, volle Lebensmittelregale, medizinische Versorgung oder bargeldloses Bezahlen – diese und weitere kritische Dienstleistungen sind in westlichen Gesellschaften selbstverständlich geworden und nur allzu gerne vertrauen wir darauf, dass Dienstleistungen, die heute funktionieren, dies auch morgen noch genauso tun. Ereignisse wie die Weltfinanzkrise, die Covid-19-Pandemie oder der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigen aber, dass dieses Gefühl der Sicherheit trügerisch sein kann. Weitere Bedrohungen wie Naturkatastrophen, technisches bzw. menschliches Versagen, Terror- oder Cyberattacken haben jederzeit das Potenzial, kritische Infrastrukturen massiv zu beeinträchtigen und damit ernsthafte Störungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu verursachen.

Der Schutz vor Naturgefahren oder vom Menschen verursachte Bedrohungen ist nur eine von vielen Aufgaben der Betreiber kritischer Infrastrukturen. Sie müssen sich auch Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, dem demografischen Wandel oder der zunehmenden Urbanisierung stellen. Während Regierungen und Unternehmen weltweit massiv in die Modernisierung der Infrastrukturen investieren, werden vor allem die Sektorintegration (z.B. Elektrifizierung des Transportsektors) und die Digitalisierung als Schlüsselfaktoren für die Bewältigung künftiger Herausforderungen gesehen. In der Folge nehmen die Komplexität kritischer Infrastrukturen und ihre wechselseitigen Abhängigkeiten immer weiter zu, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass durch Kaskadeneffekte aus kleinen Störungen schnell größere Versorgungskrisen und gesellschaftliche Disruptionen erwachsen können. So hat etwa die schlecht geplante Abschaltung einer einzigen Höchstspannungsleitung in Norddeutschland 2006 zu einem massiven Stromausfall in West- und Südeuropa mit bis zu zehn Millionen betroffenen Haushalten geführt.

Im anstehenden Modernisierungs- und Transformationsprozess ist zwischen den Versprechungen technischer Lösungen für grünere, effizientere und resilientere kritische Infrastrukturen einerseits und den Ausfallrisiken andererseits sorgfältig abzuwägen. Welche Beiträge kann die TA leisten, um die kritischen Infrastrukturen fit für die Zukunft zu machen, ohne dabei die Risiken für massive Disruptionen in der Gesellschaft zu erhöhen?

Chair

  • Dr. Michael Nentwich (ITA, Österreich)

Speaker

  • Dr. Petra Jonvallen (ERS, Riksdag, Schweden)
  • Jaro Krieger-Lamina (ITA, Österreich)
  • Katri Liekkilä (National Emergency Supply Agency (NESA), Finnland)
  • Gerhard Deimek (Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat)

 

Autonome Systeme sind softwarebasierte bzw. robotische Systeme, die weitgehend selbständig Aktionen planen und ausführen können, mit unter Umständen erheblichen Folgen. In vielen Bereichen werden durch solche Systeme die Spielregeln neu definiert. Absehbar ist dies zum Beispiel im Verkehrswesen (autonome Autos, Schiffe, Züge sowie Flugzeuge) und in Zukunft möglicherweise in der Alten- und Krankenpflege (Pflegerobotik). Aber auch reine Softwaresysteme sind im Einsatz, zum Beispiel in Form von algorithmischen Entscheidungsfindungssystemen im Finanzwesen (Bonitätsbewertung), im Personalwesen (Bewerberprüfung und -auswahl) oder im Strafvollzug (Ermittlung der Rückfallwahrscheinlichkeit).

Von besonderer Tragweite sind Autonome Waffensysteme (AWS), da es bei ihnen buchstäblich um Fragen von Leben und Tod geht. AWS auf das Gefechtsfeld zu schicken, um ihre Vorteile (z.B. die Schnelligkeit der Auswertung von Sensordaten) zu nutzen, ohne das Leben der eigenen Soldat/innen zu gefährden, mag für militärische Entscheidungsträger/innen attraktiv klingen. Aber ist es politisch verantwortbar, (völker-)rechtlich zulässig und nicht zuletzt ethisch vertretbar, die Entscheidung über den Einsatz potenziell tödlicher Gewalt Maschinen zu überlassen?

Die originäre Aufgabe der Technikfolgenabschätzung ist es, mögliche Auswirkungen der Entwicklung und des Einsatzes von AWS zu analysieren und somit das für diese schwierigen Abwägungen dringend erforderliche Orientierungswissen bereitzustellen. Dies ist eine große Herausforderung, da die technologische Entwicklung sehr dynamisch voranschreitet.

Chair

  • Linda Kool (Rathenau Institut, Niederlande)

Speaker

  • Dr. Frank Sauer (Uni der Bundeswehr, München)
  • Maya Brehm (Internationales Komitee vom Roten Kreuz, Schweiz)
  • Prof. Chris Jenks (LL.M (SMU Dedman School of Law, Texas, USA)
  • Prof. Dr. Cedric Ryngaert (Utrecht University School of Law, The Netherlands)

 

Der sich rasant beschleunigende Klimawandel, die steigende Weltbevölkerung und die Übernutzung natürlicher Ressourcen setzen die Natur und ihre Ökosysteme global massiv unter Druck. Das Zeitalter, in dem wir leben, wird deshalb auch als Anthropozän bezeichnet – als Zeitalter also, in dem der Mensch die Erde in geologischen Maßstäben prägt, nicht selten mit disruptiver Kraft. Die globalen Wälder als besonders sensible, vielfältige Ökosysteme sind von dieser Entwicklung besonders betroffen. Sie sind nicht nur wichtiger Holzlieferant und damit Wirtschaftsfaktor, sondern erfüllen darüber hinaus zentrale Funktionen für den Erhalt der Biodiversität und den Klimaschutz (CO2-Speicherung).

Da der fortschreitende Klimawandel zukünftig zu einer weiteren Verschlechterung des Waldzustandes und langfristig zu einer Destabilisierung der Waldökosysteme führen dürfte, ist der Handlungsdruck außerordentlich groß. Doch wie es gelingen kann, die Wälder resilienter zu machen, ist derzeit noch eine offene Frage, die in den Forstwissenschaften und der Forstpraxis kontrovers diskutiert wird. Sollten die Waldökosysteme weitgehend sich selbst überlassen und forstliche Maßnahmen auf ein Minimum beschränkt werden? Oder ist stattdessen ein gesteuerter Umbau der Wälder erforderlich, der neue Nutzungskonzepte und auch zielgerichtete Aufforstungen umfasst?

Am Beispiel der Wälder manifestiert sich somit ein Spannungsfeld, das auch für andere natürliche Lebensräume gilt: Eine intakte und vielfältige Natur sichert existenzielle Lebensgrundlagen, sie ist aber auch unerlässliche Ressource für viele Bereiche der Bioökonomie. Die Schwierigkeit besteht nicht nur in der Unsicherheit bezüglich natürlicher Prozesse und Kippunkte, sondern auch in der Aufgabe, die teils sehr unterschiedlichen Ansprüche der verschiedenen involvierten Interessengruppen (wie Waldbesitzende, Holzwirtschaft, Jäger/innen, Erholungssuchende) auszutarieren. Im Idealfall gelingt es der TA, diese Transformation zu unterstützen, wobei das Denken in Systemzusammenhängen, die Expertise bei der Bewertung von Innovationen (z.B. satellitenbasiertes Monitoring) und ganz besonders die langjährige Erfahrung in der Gestaltung partizipativer Prozesse von Nutzen sein können.

Chair

  • Dr. Helene Limen (Baltic Waters 2030, Schweden)

Speaker

  • Dr. Palle Madsen (InNovaSilva ApS, Dänemark)
  • Prof. Dr. Pierre Ibisch (HNE Eberswalde)
  • Dr. Somidh Saha (ITAS, Karlsruhe)

 

Berichterstatter/innen für TA im Dialog

Moderation

Tore Tennøe (Teknologirådet, Norway)

Downloads und Links

 

EPTA Report 2022

 

 

 

 

EPTA-Council 2022

Gruppenbild EPTA-Delegierte mit Abgeordneten auf der Bramante-Treppe des MELH

EPTA-Council, 17.-18.10.2022, für Abgeordnete europäischer Parlamente und Mitglieder der Steuerungsgremien der EPTA-Institute